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Dienstag, 17. Juni 2008

Textentwurf/Jennifer Fandrich

Hier die überarbeitete Version, leider immer noch nicht ganz so fertig...




Tor-ohne-Schuss-aber-mit-geheim-Panik oder Man reist ja nicht, um anzukommen.
Den richtigen, den persönlichen Zugang zu einer Stadt finden: Wie?
Schreiben, Soundscapes, Skizzen und Wirklichkeit mit Fotos abbilden.
Versuche.

Durch die Gassen laufen, Brücken überqueren, Bilder betrachten und beschreiben, auf Plätzen stehen und versuchen, ein GEHEIMES TOR zu finden, das einen in die Stadt bringt, die alle Geheimnisse nur für einen persönlich bereithält.

Wir laufen auf Steinen, stone by stone, Millionen. Damit wir nicht im Schlick, im stinkenden Morast versinken, wurden Lärchen, Erlen, Ulmen, Eichen, Kiefern mit der Spitze voraus in den Boden gerammt. Wie hält das? Immer wieder die gleiche Frage. Luftleerer Raum versteinert das Holz, das Holz wird zu Stein, der die Stadt trägt. Noch.

Wir gehen über Brücken, die die Gassen zusammenhalten und verbinden, gehen geschwungen über Wasser, das angeblich einen eigenartigen Geruch hat und schmutzig ist. Den Geruch erahne ich nur nachts, wenn das Wasser still steht und der Touristen- und Venezianer Verkehr auf Booten und Gondeln ruht.

Wir betrachten Bilder, wir versuchen sie zu be- und umschreiben. Kein Tizian, kein Tintoretto, kein Carpaccio und auch kein Bellini ist vor uns sicher.

Campo S.Polo, Piazza S. Marco, Campo S.Margherita, Piazzale Roma.
Aber WO IST DAS TOR?

„Fährt man aber den Canal Grande entlang, so weiß man: wie das Leben auch sei – so jedenfalls kann es nicht sein.“ sagt Georg Simmel.
…..

Man reist ja nicht, um anzukommen.

Venedig mit hinüberretten nach Hildesheim. Etwas mitnehmen von dem Mythos lautet die Maxime. Einen Text schreiben, der den persönlichen Zugang schafft und gleichzeitig einen kunstwissenschaftlichen Kontext hat. Viele Ideen, einige Ansätze, weniger Umsetzungen.

Aus Erinnerung heraus schreiben, aus Erinnerung und Vergegenwärtigung heraus einen Ansatz finden, erinnernd das geheime Tor finden. Re: scrivere und Re: zurück. Mit dem Vergangenen konfrontieren und dadurch die Gegenwart aktualisieren.

Mir stellt sich die Frage: Wie haben das die Künstler gemacht, die einen kurzen Aufenthalt in Venedig hatten und dann, zurück in der Heimat, Skizzen vervollständigt, Aquarelle in Ölgemälde umgesetzt haben? Welche Rolle spielen Erinnerungen, Bildgedächtnis, Idealbilder?

Mir fallen viele ein: Turner, Monet u.v.m., die ganzen großen europäischen Künstler des 19. Jahrhunderts, die in Venedig waren, sich inspirieren ließen, nicht abbilden wollten und schließlich doch die Stadt ständig reproduzierten. Statt ein Urteil über die Stadt abzugeben, beschrieben und analysierten sie erste Eindrücke. Die Stadt war nie ganz wirklich.

Joseph Mallord William Turner war drei Mal in Venedig: 1819, 1835 und 1840 war dann seiner letzter Aufenthalt. Es bleibt offen, ob die Stadt für ihn reine Schönheit repräsentierte, wie es der Großteil seiner Bilder andeuten, oder auch als Symbol für Verfall gesehen wird, wie es das Zitat zu seinem Gemälde „The Sun of Venice going to Sea“ andeutet:
„Hell scheint der Morgen, sanfte Lüfte wehn,
Venedigs Fischer heiter spannt sein buntes Segel heute,
Und achtet nicht des Dämons, der in grimm`ger Ruhe,
Schon auf der Lauer steht, nach des Abends Beute.“
Die Bedeutung des Bildes offenbart sich schnell: Die Besatzung des Fischerboots „Sun of Venice“ segelt frohen Mutes aufs Meer hinaus und ahnt noch nicht, dass es abends untergehen wird. Diese Thematik entspricht natürlich der Venedig-Thematik des Unterganges, die ruhmreiche und glanzvolle Stadt, die dem Untergang geweiht ist.

Einige Aquarelle schuf Turner, noch ehe er Venedig 1819 das erste Mal besuchte. Ein vorab gemachter erster Eindruck. Eine Illusion. Er nutzt Erinnerungen, die nicht die seinen sind, es sind Bilder aus dem großen Bild-Gedächtnis, das es über Venedig schon seit Jahrhunderten gibt. Der erste Aufenthalt soll maximal fünf Tage gedauert haben, entspricht etwas unserem Studienfahrtsaufenthalt, da erscheint die Produktion von 125 Bleistiftskizzen und 4 Aquarellen schon sehr umfangreich. Er zeichnete Konturen, er vermied die genaue Beschreibung der Form eines Objekts. Die Bilder wirken schwerelos, sind nicht greifbar. Sie bilden viel ab, nur keine Wirklichkeit. Sie zeigen Umrisse, deuten Farben an, zeigen den schnellen Pinselstrich.

Turners Zeitgenossen nehmen zu Anfang des 19.Jahrhunderts Anstoß an seiner ungewohnten Malweise, sie kritisieren seinen freien Umgang mit formalen Mitteln, seine freie Abbildungweise.
Als Turners größter Verteidiger trat dann John Ruskin auf die Bühne, der schon als 17jähriger Turners Werke emphatisch verteidigte und später mit seinem Werk „Modern Painters“, das 1843-1846 veröffentlich wurde, in einer Hymne auf die Schönheit und Kraft der Natur sowie auf die Stimmungen in Turners Werk Turner verteidigte und interpretierte. Bei seinem zweiten Aufenthalt in Venedig 1841 dachte er ständig an seinen Modern Painter, er begann sich mit Turner Sehweise zu identifizieren:
„Im Zwielicht schob sich eine schwere Gewitterwolke über den Dogenpalast, und endlose Blitze, noch ohne Donner, zuckten hinter seinem First auf, wie Feuerwerksraketen aus dem Rauch über St.Angelo in den Himmel schießend, um über dem Lido niederzugehen; dabei erhellten sie die edle Gruppe der Salute und tauchten sie in bläuliches Spektralweiß; jeder Blitz berührte sie mit schwebender, geheimnisvoller Anmut – wie sie Turners Werken eigen ist: und hoben die Umrisse der Kuppel dunkel gegen den von Blitzen erhellten Himmel ab.“
Das Zitat könnte in Anlehnung an Turners „Gewitter auf der Piazetta“entstanden sein. In späteren Jahren, als Ruskin mit der Arbeit an seinem Buch „Stones of Venice“ begann, wandte sich Ruskin anderen Themen zu und Turners Bilder „waren gar nur noch angenehme Ablenkung“.
……….

Zurück zu der Frage nach der Erinnerung in Turners Bildern: Einige seiner Werke entsprechen seiner Vorstellungskraft, seiner Idealansicht von Venedig und seinem Stimmungsgehalt, sie sind nicht direkt vor dem Motiv entstanden. Beispielsweise gibt sein „Blick von der Giudecca nach Osten am frühen Morgen(?), 1819“ einige Rätsel auf: Die Topografie findet sich weder in Venedig noch in der Lagune, der hohe Turm könnte der Campanile von San Marco sein, während der Umriss der Bauten vor dem Horizont auf das Ufer der Bucht von der Piazetta bis zur Kirche Santa Elena hinweist, doch selbst dann stimmen viele architektonische Details nicht. Es lässt sich annehmen, dass Turner einen Sonnenaufgang malte und dann seine idealisierte, kompakte Venedig-Ansicht aus dem Gedächtnis hinzufügte.
Es ist nicht mehr die reine Abbildung der Stadt, die Canaletto, Venedigs bekanntester Vedutenmaler, anstrebte. Turner malt aus Erinnerungen, aus eigenen und aus dem großen Pool des Bildgedächtnisses Venedigs; er benutzt im Kopf entstandene Idealbilder, geprägt, von dem, was er sieht und seinem Wunschbild der Stadt.

DA IST DAS TOR, endlich, ich habe es gefunden: es ist Turners Blick auf die Stadt in seinen Aquarellen: Konturen auf Farbflächen, kein Gewicht, Formen, die zerfließen, die sich abschotten, die Stadt nicht greifbar machen. Es gibt kein vollständiges Bild mit allen Details, es sind Facetten, erste Eindrücke, immer wieder bestätigt. Licht und Luftbewegungen sind exakt.

Skizzen sind unvollständig, Gondeln werden wieder übermalt, sind aber trotzdem noch zu erkennen unter einer blaulila-Wasserfarbschicht. Ja, das ist Venedig für mich: Es vergeht und zerfließt, es zerfällt und gleichzeitig ist es ohne Zeit, auch zeitlos, ist immer da und wird nie neu. Nur die Sicht der Menschen verändert sich, die Stadt bleibt bis auf abbröckelnden Putz und mit Hochwasser vollaufende Erdgeschosse immer gleich.

Unvollständige Bilder sind das Bildwerk Turners über Venedig, unvollständige Skizzen sind meine Erinnerungen an Venedig.

Handout/Jennifer Fandrich/Venedig-Bilder und Venedig-Deutungen des 19.Jahrhunderts


Venedig-Bilder und Venedig-Deutungen des 19. Jahrhunderts

Der Ausgang / Die Ausgangslage:

Politisch: Der Untergang

1797 verlor die Adelsrepublik durch Napoléon Bonaparte ihre Selbstständigkeit
Oktober 1797 Frankreich überließ die Stadt Österreich im Austausch gegen die Lombardei
1805 erneuter Tausch, Napoleons Armee zog wieder in Venedig ein, Napoleon war inzwischen Kaiser
1815 Wiener Kongreß schlug Venedig wieder den Habsburgern zu
1848/9 demokratischer Aufstand gegen die Österreicher scheitert
1866 Angliederung Venedigs an das Königreich Italiens

Vedutenkunst:
Eine Vedute (italienisch veduta: Ansicht, Aussicht) ist in der Bildenden Kunst die wirklichkeitsgetreue Darstellung einer Landschaft oder eines Stadtbildes. Dem Ziel der realistischen Abbildung sind alle anderen Aspekte bei der Bildgestaltung (Licht und Schatten, Farben, etc.) untergeordnet. Zweck ist es, wichtige Monumente von historischer oder religiöser Bedeutung bzw. besondere Feierlichkeiten (Prozessionen, Erbhuldigungen etc.) zu verewigen.

Wichtigste Vertreter der venezianischen Vedutenkunst:
Antonio Canaletto (1697-1768):
Seine Grundkonzeption richtet sich auf das Monumentale und Dauernde, das Denkmalartige der Serenissima. Er beobachtete als kühl konstatierender Historiker.

Francesco Guardi (1712-1793):
Gedicht steht gegen Bericht (Canalettos). Guardi zeigt das Bewegte, die Lust am Augenblick, Menschenmengen, die sich triebhaft auf den Kanälen, Straßen und Plätzen tummeln. Diese Struktur seiner Einbildungskraft befähigt Guardi, eine neue Dimension der Stadt zu zeigen: er deutet stärker Venezia memore, das abseitige Venedig an. Er malt die Dekadenz Venedigs mit einer skeptische Melancholie.

Goethe (1749-1832):
Formuliert in seinen Tagebüchern vom September 1786, was künftig die gesamteuropäische Venedig-Sicht bestimmen sollte: „Sie (die Markusrepublik) unterliegt der Zeit wie alles was ein erscheinendes Daseyn hat.“

Malerei

Historienmalerei
Eugène Delacroix (1798-1863):

Enthauptung des Dogen Marino Falier (1826, London, Wallace Collection)
Entstand nach Byrons Schauspiel „Marino Falier, Doge of Venice“ (1820)
Francesco Hayez (1791-1882):
Erster, bekannteste und talentierteste romantische Maler von Historienstücken
Stil: melodramatisch und formal geprägt, Gespür für Kompositionen, venezianisch beeinflusster Farbensinn

Europäische Einflüsse:

William Turner (1775-1851):

britischer Maler und führender Vertreter der Romantik; er gehört zu den größten englischen Künstlern. Turner besuchte Venedig erstmals 1819, dann noch einmal in den Jahren 1833,1840.
àTurner feiert nicht die tote Stadt, sondern stellt Venedig als einen magischen Ort dar, um Assoziationen an den ehemaligen Reichtum heraufzubeschwören.

James Abbott McNeill Whistler (1834 -1903):
US-amerikanischer Maler, 1879 reiste Whistler im Auftrag einer Londoner Galerie nach Venedig, wo er zahlreiche Pastelle und Radierungen schuf.
Oscar Wilde über Whistler:
„Ich habe Jimmy Whistler in London oft "en passant" gesehen. Er hat gerade eine zweite Serie von Radierungen über Venedig fertiggestellt - Wassergemälde, wie sie auch die Götter noch nie geschaut haben. Seine Ausstellung wird in vierzehn Tagen in einem gelbweißen Raum eröffnet (vom Meister der Farben ausgestattet) mit einem erstaunlichen Katalog. Das zu malen, was man sieht, ist eine gute Regel in der Kunst, aber zu sehen, was zu malen wert ist, ist besser. Betrachten Sie das Leben unter dem Aspekt des Malers. Es ist besser, in einer Stadt mit veränderlichem Wetter als in einer Stadt mit lieblicher Umgebung zu leben. Nachdem wir gesehen haben, was den Künstler ausmacht und was "der" Künstler macht, nun die Frage, wer ist der Künstler? Unter uns lebt ein Mann, der alle Qualitäten der edelsten Kunst in sich vereint, dessen Werk eine Freude für alle Zeiten und der selbst ein Meister aller Zeiten ist. Dieser Mann ist Whistler.“

Claude Monet (1840-1926):
Monet hielt sich in seinen letzten Lebensjahren zusammen mit seiner Frau in Venedig auf, im Jahr 1908. Es zeigten sich erste Anzeichen seiner Augenerkrankung. Dort malte er nicht nur, sondern studierte in Kirchen und Museen Werke von Künstlern wie Tizian und Paolo Veronese. Monet begann viele Gemälde in Venedig und überarbeitete sie manchmal jahrelang noch im Atelier. Zum Teil beginnt er die Bilder noch einmal von Neuem. Damit spielt die Erinnerung an das Motiv und Empfindung eine größere Rolle ein, als das ursprüngliche Motiv. Seine Werke aus Venedig wurden erneut von den Kritikern lobend aufgenommen. So wurden die Bilder beispielsweise als „farbig schillernde Ferien“ bezeichnet.


Das proletarische und triviale Venedig
Der Hang zum proletarischen Venedig bekundet sich bei Künstlern wie Ettore Tito (La pescheria vecchia a Rialto, (1887) ), Allessandro Milesi (La colazione del gondoliere (1893)), Domenico Bresolin (Casa diroccata (vor 1859)) u.v.m.
Das triviale Venedig wird von Vilhelm Marstrand, einem dänischen Spitzweg, karikiert (Das englische Paar in der Gondel (1854) und findet sich auch in vielen Darstellungen von Hochzeiten und Hochzeitpaaren in den Lagunen, etwa bei Favretto ( In Erwartung des Brautpaares (1879)), oder Milesi (Heirat in Venedig (1897)).

Städtische Entwicklung

Napoleons Beitrag zur Stadtgeschichte besteht zum einen Teil darin, dass er eine Menge von Kunstwerken nach Paris schaffen ließ und die Ordenshäuser auflöste. Städtebaulich ging das Schicksal der Stadt auch einen Schritt in die Moderne: dazu gehörten die weitere Nutzbarmachung und Neugewinnung von Land. . Einer der dramatischten Eingriffe war die Zerstörung des Westendes der Piazza , un dort die Ala Napoleonica zu erbauen, den Napoleanischen Flügel.
Im weiteren Verlauf der Modernisierung:
Erweiterung des Wege- und Straßennetzes (Bau der Strada Nova 1871), Zuschüttung von Kanälen
1846: Bau der Eisenbahn: Personen und Güter kamen einfach und schnell nach Venedig
à Das implizit zugrunde liegende Stadtkonzept war konventionell und eindimensional. Das Verständnis für das höchst komplexe Ganze, das in den Zeiten der Republik mittel-und langfristig in aller Regel doch die Oberhand behalten hatte, gab es nicht mehr. An die Stelle jahrhundertslanger Erfahrung trat eine nicht selten naive Begeisterung für alles, was nur irgendwie neu erschien.


Literatur:

Parallel zur Modernisierung der Stadt entstand ein Venedigbild, das der alltäglichen Wirklichkeit der Stadt eine virtuelle literarische entgegenstellte, die bald die mächtigere werden sollte und schließlich auch auf das tatsächliche Geschehen der Stadt zurückzuwirken begann. Anfangs lagen beide Wirklichkeiten noch nahe zusammen, wie Lord Byrons Dichtungen zeigen:
Lord Byron (1788-1824):
Britischer Dichter, übersiedelte 1816 nach Venedig, in die nun österreichische Provinzstadt. Die Stadt hatte nach dem Abzug der Franzosen politisch, wirtschaftlich und emotional den tiefsten Punkt ihrer Existenz erreicht.
„Ode on Venice“ (1818) beklagt den Untergang Venedigs:
„Oh Venice! Venice! When thy marble walls
Are level with the waters, there shall be
A cry of nations o`er thy sunken halls,
A loud lament along the sweeping sea!”
Während seines Aufenthaltes publizierte er 1816 den dritten und 1818 den vierten Gesang seines Versepos “Child Harold`s Pilgrimage“, die ihn zu einem der gefeiertesten Dichter seiner Zeit machen sollte.
àByrons Venedig war ein literarisches Venedig, die physische und soziale Wirklichkeit der Stadt blendete er aus seiner Dichtung ebenso aus wie die Neuerungen der napoleonischen Zeit.

Franz Grillparzer (1767- 1819):
“Der erste Eindruck war fremd, einengend, unangenehm. Diese morastige Lagune, diese stinkenden Kanäle, der Schmutz und das Geschrei des unverschämten betrügerischen Volkes geben einen verdrießlichen Kontrast mit dem kaum verlassenen heiteren Triest.“

John Ruskin (1819-1900):

englischer Schriftsteller, Maler,Kunsthistoriker und Sozialphilosoph.
„Stones of Venice“ (London, 1851/53) war das einflussreichste Venedigbuch des 19.Jahrhunderts. Für ihn war Venedig zugleich Memento Mori und Denkmal:
„Seit zuerst die Herrschaft des Menschen sich über das Weltmeer geltend machte, sind drei Reiche von höherer Bedeutung als alle anderen an seinen Gestaden errichtet worden:Die Reiche von Tyrus (=Atlantis), Venedig und England. Von der ersten dieser großen Mächte besteht nur die Erinnerung, von der zweiten der Verfall; die dritte, die ihre Größe erbt, kann, wenn sie ihr Beispiel vergisst, durch stolze Erhöhung zu minder beklagten Untergang geführt werden.(…) Ihre Nachfolgerin (=Venedig), die ihr in der Vollkommenheit der Schönheit gleich kam, wenn auch weniger in der Dauer der Herrschaft, ist uns noch geblieben und wir dürfen in der Schlussphase ihres Niederganges betrachten; ein Gepenst am Gestade der See, so schwach – so still - so beraubt allen Besitzes, nur nicht ihrer Lieblichkeit, daß man im Zweifel sein kann, wenn man ihr mattes Abbild in der Spiegelung der Lagune erblickt, welches die Stadt und welches der Schatten ist.“
Er sah seine wesentliche Aufgabe in der systematischen Erforschung der mittelalterlichen Architektur Venedigs. Mit seinem Buch „Seven Lamps of Architecture“ hat Ruskin hat ganze Generationen Wert und Würde des Alterns in der Architektur respektieren lassen, das er als eine Form des Lebens verstand, nicht als eine Vorform des Todes.


Souvenirkarten:

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts lieferte die Schweizer Firma "Photochrom Zürich" (P.Z.) Serien von Andenkenbildern aus den Metropolen Europas, von Landschaften und Ausflugszielen. Während sich die Lagunenmetropole im Untergang befindet und zahlreiche Bewohner ihre Heimat verlassen, lockt der marode Charme Touristen an - und die noch junge Fotografie eröffnet völlig neue Möglichkeiten, den Daheimgebliebenen nun mit Souvenirkarten von der Großartigkeit der eigenen Reise zu berichten.

Dienstag, 20. Mai 2008

Karminrot/Jennifer Fandrich/Assoziationen zu der Farbe Karminrot

Die Farbe Karminrot

Karminrot ist ein tiefes Rot, das einen Stich ins Bräunlich hat und sehr dicht ist. Die Herbstblätter eines japanischen Fächerahorns können sich in ein reines Karminrot verfärben. Gewonnen wurde die Farbe ursprünglich jedoch aus dem Trocknen und dem Auskochen mit Schwefelsäure von Schildläusen.
Dass Farbe nicht nur eine Sehwahrnehmung, sondern scheinbar auch ein Zustand ist, zeigt die mögliche Antwort auf die Frage mit Karminrot in einem Testportal „Welche Farbe hat Ihre Aura?“:
Wir benötigen kein Medium, um feststellen zu können, dass Ihre Aurafarbe karminrot ist. Ihre rubinrote Aura bringt Ihre leidenschaftliche und sinnliche Natur zum Ausdruck. Sie sind den irdischen Freuden äußerst zugetan. Ob Sie nun in den Genuss einer Massage kommen oder sich einer besonderen Mahlzeit erfreuen, legen Sie stets Wert auf die nötige Portion Sinnlichkeit. (Karminrot ist vor allem die Farbe von Rosen, Wein und Samt) Das ist wohl auch einer der Gründe, weshalb Sie sehr viel Wert auf materielle Dinge legen. Sobald Sie etwas schmecken, berühren, riechen oder hier und jetzt sehen können, ist es um Sie geschehen. Dennoch sind Sie sehr bodenständig und realitätsbezogen. Sie ziehen es vor in der Gegenwart zu leben und nicht in der Zukunft. Wie die meisten Menschen mit einer karminroten Aura, verlieren Sie leicht die Beherrschung. Jedoch sind Sie auch in der Lage, sich ebenso schnell wieder zu beruhigen und Ihre Kraft und Energie auf ebenso konkrete wie schnell erreichbare Ziele zu richten. Als heißblütiger Mensch ziehen Sie den sofortigen Genuss vor.
Eine solche Antwort ist aufschlussreich für die Wirkung, die eine Farbe haben kann, wenn man die Adjektive, die mit der Farbe verbunden werden, herausfiltert: leidenschaftlich, sinnlich, bodenständig, realitätsbezogen, unbeherrscht, heißblütig, genussvoll.

Präsentationsort/Jennifer Fandrich/Pferdestall

Präsentationsort: Der Pferdestall

Wo?
Pferdestall an der Domäne.

Was?
Der Stall ist vom Durchgang aus in mehrere Abteile unterteilt, welche die Möglichkeit bieten, den Präsentationsort zu gliedern und einzuteilen. An der Seite sind alte Tränken vorhanden; die Decke ist mit Holzbalken gestützt. Auch im Sommer ist es sehr kühl aufgrund der dicken Gemäuer.

Wie?
Die Lesung könnte in dem Pferdestall stattfinden (Vorteil: es hallt nicht allzu sehr), entweder in einem Abteil oder im gesamten Raum. In den einzelnen Abteilen können verschiedene Präsentationsformen genutzt werden, z.B. die Ausstellung einer Auswahl der entstanden Texte, beispielsweise durch Aufhängen oder mit einem Beamer an die Wand projizieren; Fotos oder Zeichnungen, die während der Exkursion entstanden sind, aufhängen oder auch an die Wand werfen mittels eines Beamers. Während der gesamten Zeit kann eine Geräuschkulisse im Hintergrund laufen, die während unseres Aufenthalts in Venedig aufgenommen wurde. Die Tränken bieten sich dazu an, mit Wasser gefüllt zu werden, in Zusammenhang mit Wasser wäre eine Lichtinstallation schön (Stichpunkte: spiegeln, reflektieren).

Warum?
Der große Raum bietet viel Platz, um einerseits eine dauerhafte Präsentation/Ausstellung zu zeigen und andererseits gleichzeitig für eine kürzere Dauer als Veranstaltungsort für die Lesung zu nutzen.
Durch die Architektur gibt der Stall den Anschein einer sakralen Architektur (Seitenschiffe, hohe Holzdecke). Daraus könnte man einen Bezug zu Venedig herstellen.
Das wichtige Element Wasser kann in die Präsentation mit eingebaut werden.

Warum nicht?
Ein Kritikpunkt ist die Kühle, die auch im Sommer vorherrscht.
Frau Biehler hat außerdem den Ort schon für ihr Projekt mit eingeplant (noch aktuell?).

Stadtgerüst/Jennifer Fandrich/Beschreibung der Stadtstruktur

Venedig – Beschreibung der Stadtstruktur

Venedigs Stadtgliederung aus der Sicht einer Person, die noch nie in Venedig gewesen ist:
Sechs Sestieri, sechs Stadtteile, sechs eigene Geschichten. Der springende Fisch, der einen kleineren Fisch frisst, ist 1169 aufgeteilt worden. Rund um das centro storico, das historische Venedig, sind die Sestieri angeordnet.

Ganz im Osten Castello, im Schwanz des großen Fisches. Grundlage der Seehoheit und Handelvorherrschaft liegt hier begründet, in der Arbeitsstätte, arabisch: Darsiná-a; venezianisch Arsenale, deutsch Schiffswerft. Immer weiter vergrößert auf 32 Hektar, verschönert durch das Landtor, der erste Renaissancebau Venedigs. Nach dem Untergang der Republik noch weiterhin als Marinestützpunkt bis nach den beiden Weltkriegen wichtig, liegt nun Stille über dem Gebiet, das einmal bis zu 16.000 Arbeitskräfte beschäftigte.

Weiter im Westen befindet sich San Marco. Zentrum der sich verbeißenden Mäuler der Fische, Zentrum der Stadt. Im Herzen der Markusplatz, an piazza San Marco angrenzend findet man die Herberge des aus Alexandria von 828-829 überführten Leichnams des heiligen San Markus, die Basilica di San Marco. Durch die Porta della Carta ist die Markuskirche mit dem Palazzo Ducale, Verkörperung des venezianischen Staates in seiner vergangenen Macht, Kraft und Schönheit, verbunden.

Der Ort der Ankunft heißt Cannaregio. Jedenfalls wenn man mit dem Zug anreist über die vier Kilometer lange „Angelschnur“ Ponte della Libertá zum Kopf des gefräßigen Fisches. Auf der Höhe des Auges liegt das Ghetto Nuovo, erzwungener Ansiedlungsort der venezianischen Juden.

Im Maul des gefräßigen Fisches der Kopf des kleinen Fischs, getrennt von San Marco durch den Canale Grande, der den Fischköpfen ihre charakteristische Form gibt, liegen die Sestieri San Polo und San Croce. Zwischen diesen beiden Stadteilen ist eine klar definierte Trennung nicht möglich. San Polo beherbergt Venedigs wohl bekanntestes Wahrzeichen, die Rialto Brücke, die die Verbindung zur Sestieri San Marco darstellt.

Der lange Rücken, die durch acht Brücken miteinander verbundene Insel Guidecca liegt ganz im Süden Venedigs. Sie war ursprünglich eine Garteninsel, ist inzwischen aber verbaut und wandelt sich zum Geheimtipp der Künstlerszene.

Aufgebaut auf Schlamm, auf Abermillionen Holzpfählen, Platzsparung durch Gebäudebau in den Himmel werden nun der Stadtstruktur zum Verhängnis. Fundamente werden unterspült, ausgehöhlt, Hochwasser macht untere Stockwerke unbewohnbar. Nach Schätzungen stehen 30 Prozent der Wohnungen leer.
Calli, salizade, rughe, liste, rami, sottoporteghi, rii terrà und fondamenta (Gassen, Gässchen, Sackgassen, Durchgängen und Uferstreifen) sowie eine Strada (nuova) und drei vie (Via 25 aprile, Via Vittorio Emanuele und Via Garibaldi) führen einen durch die Stadt. Neben vielen campi (Plätzen) und campielli (Plätzchen) gibt es den einen piazza, den Markusplatz.
38 kilometer lang sind die ca. 175 Kanäle, die Venedig in seine Form zerteilen. Angeblich 444 Brücken lassen Fußgänger diese Kanäle überqueren. Von der Stadtverwaltung genormte Handkarren, die carrelli ersetzen den Lastentransport durch Autos, deren Verkehr in der Stadt nicht vorgesehen ist. Man bewegt sich zu Wasser oder zu Fuß. Oder per Metro, wenn es nach Paolo Costa, dem Alt-Bürgermeister ginge, der den Bau einer U-Bahn mit Ausstieg auf dem piazza forderte. Sein Nachfolger ist von dem Projekt jedoch nicht allzu angetan, somit ist eine Metro in Venedig noch Zukunftsklang. Doch das war der Neubau der Rialto-Brücke auch knapp zwei Jahrhunderte lang und heute ist die technische Meisterleistung immer noch ein Garant für die venezianische Fähigkeit der Zähmung des Wassers.