Venedig, ein Museum
Museum ist altgriechisch, das Heiligtum der Musen.
Venedig ist ein Heiligtum der Musen und der apostolischen Gebeine.
Auch ein Tempel der schönen Künste, denn alles Venezianische ist schön und Kunst, versteht sich. Ein Freizeitpark für Romantiker aller Herrenländer, die kommen der Allerdurchlauchtigsten zu huldigen. Ein Freilichtmuseum, in dem Touristen Tauben füttern, über Kanäle schippern und Schlange stehen für Waffeleis.
Ein Museum ist ein Ort, an dem etwas bewahrt und erhalten werden soll. Im Fall Venedigs handelt es sich dabei um eine ganze Stadt, die Zeit läuft, der Putz bröckelt, die Flut steigt. Und was wäre Venedig ohne Konservierungsstoffe?
Ein Museum empfängt Besucher, täglich außer montags oder dienstags. Auch Venedig empfängt Besucher, täglich auch montags und dienstags.
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Ein Museum ist ein Ort, der eine Brücke schlägt von der Vergangenheit zur Gegenwart oder umgekehrt. Auch Venedig schlägt Brücken, aber nur zu sich selbst.
Ein Museum ist in aller Regel der Tradition mehr verbunden als der der Veränderung.
Und Venedig? Gibt es Veränderung in Venedig? Gibt es ein Venedig, das ohne Vergangenheit auskommt? Oder gibt es Venedig immer nur im Bezug auf eine frühere Version seiner selbst?
In einem Museum befinden sich Dinge, die sich mehr oder weniger ähnlich sind, meistens mehr. Auch in Venedig befinden sich Gebäude, die sich mehr oder weniger ähnlich sind, meistens noch mehr.
Ein Museum kostet Eintritt, wenn es etwas auf sich hält. Auch Venedig kostet Eintritt und zwar bei jeder Gelegenheit, also zahlt man mehrmals. In Venedig wiederholen sich die Dinge.
Ein Museum ist entweder geöffnet oder geschlossen. Venedig ist beides zugleich.
Im Museum kann man sich am Ausgang Postkarten kaufen. In Venedig gibt es keinen Ausgang, aber Postkarten gibt es überall.
In einem Museum bestehen Hierarchien. Es gibt einen Direktor, einen Kurator, einen Restaurator und Putzfrauen. Auch in Venedig bestehen Hierarchien: Es gibt Privatpersonen mit sehr viel Geld und eigenem Palast, hinter den Supermarktkassen Frauen mit Namenschildchen, auf denen „Elisabeta“ und „Maria“ steht und nahe der Brücken illegale Einwanderer mit falschen Gucci-Handtaschen auf Plastikplanen.
In einem Museum werden Führungen angeboten, für Venedig Rundfahrten empfohlen.
Jedes Museum hat seine Mona Lisa. Venedig hat es noch besser. Venedig hat San Marco.
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Freitag, 13. Juni 2008
Montag, 9. Juni 2008
Venedig/Objektivierung/ Henrike Terheyden/Stein und Farbe/
Stein und Farbe objektiviert (Versuch)
Wie das objektivieren? Venedig überrascht mit Steinen, die Farben sein können und gleichzeitig Farben begrenzen. Sie bilden Rahmen und Leinwand zugleich, und merkwürdige Bedrohung ihrer eigenen Standhaftigkeit. Denn sie stehen im Wasser. Und am Abend, wenn das Wasser steigt weil die Flut kommt, dann drückt es sich durch ihre Ritzen und Spalten. Dann legt sich das Wasser auf die Steine und lackiert den von all den Flip Flops stumpfen Marmor in gluckernden Schichten. Dann werden die Steine neu gestrichen und sie spiegeln selbst die Schichten von Bunt an den Häuserfassaden und von den Mosaikdecken.
Und betrachtet man diese Spiegelungen, dann ist das Wanken der Fassaden mit den schwer verzierten Steinen auf der Wasseroberfläche eine kichernde Warnung, dass eigentlich alles ständig wankt. Ein leichtes Wanken, das den Körper heimsucht, und auch im stabilen Deutschland schwanken die Beine noch und federn sachte weiter. Aber Steine wanken nicht! Steine sind der Inbegriff von fest, stabil, hart und unnachgiebig! Steine haben den Bewegungen der Welt zu trotzen, ein Fels in der Brandung zu sein, sie haben höchstens manchmal leicht zu erzittern, sich um Millimeter zu bewegen, um einen Einsturz zu verhindern. Aber in Venedig wanken sie. In Venedig atmen sie spürbar und sichtlich. Ließe man eine Murmel frei, müsste man ihr tagelang folgen, sie käme nie zum Liegen, schließlich fiele sie in einen Kanal.
Und auf ihrem Weg wäre sie ein Kaleidoskop aus weichem Licht. Sie spiegelte ein orange von Aprikosen wieder, an der Stelle, an der sie fast rot sind. Sie wäre grün, wie die Rückseite eines Efeublattes, und blau wie helle Seide mit blassblondem Schussfaden. Sie trüge ein ungebrochenes Rot, unbefleckt, wie das von Frauenkleidern. Immer wenn sie schwarz würde, wäre sie auch ein bisschen blau, wäre sie ein bisschen grün, trüge leicht den Schatten von violett. Nie ist das Schwarz hier Loch. Es ist immer Grund für eine andere Farbe, schwarz ist hier noch nicht einmal Schatten. Violett und dunkler Flieder mit Grau übernehmen diesen Job. Grau und weiß wären farbenfroh auf dem Glas, weil sie nie alleine stehen. Das Gelb auf dem Putz braucht die Sonne nicht, vor allem nicht, wenn ein dunkles Rot daneben steht, oder ein klares blau unter grünen Fensterläden. Und wie das Gold unter den Kirchendecken spiegeln die Fenster das Blau des Himmels und ihr Glas wird scharfer Träger von Licht und Farbe und ist bei weitem nicht durchsichtig. Und immer wirft sich jede Farbe sich selbst ihren Ton über die Wasseroberfläche zurück.
Wie das objektivieren? Venedig überrascht mit Steinen, die Farben sein können und gleichzeitig Farben begrenzen. Sie bilden Rahmen und Leinwand zugleich, und merkwürdige Bedrohung ihrer eigenen Standhaftigkeit. Denn sie stehen im Wasser. Und am Abend, wenn das Wasser steigt weil die Flut kommt, dann drückt es sich durch ihre Ritzen und Spalten. Dann legt sich das Wasser auf die Steine und lackiert den von all den Flip Flops stumpfen Marmor in gluckernden Schichten. Dann werden die Steine neu gestrichen und sie spiegeln selbst die Schichten von Bunt an den Häuserfassaden und von den Mosaikdecken.
Und betrachtet man diese Spiegelungen, dann ist das Wanken der Fassaden mit den schwer verzierten Steinen auf der Wasseroberfläche eine kichernde Warnung, dass eigentlich alles ständig wankt. Ein leichtes Wanken, das den Körper heimsucht, und auch im stabilen Deutschland schwanken die Beine noch und federn sachte weiter. Aber Steine wanken nicht! Steine sind der Inbegriff von fest, stabil, hart und unnachgiebig! Steine haben den Bewegungen der Welt zu trotzen, ein Fels in der Brandung zu sein, sie haben höchstens manchmal leicht zu erzittern, sich um Millimeter zu bewegen, um einen Einsturz zu verhindern. Aber in Venedig wanken sie. In Venedig atmen sie spürbar und sichtlich. Ließe man eine Murmel frei, müsste man ihr tagelang folgen, sie käme nie zum Liegen, schließlich fiele sie in einen Kanal.
Und auf ihrem Weg wäre sie ein Kaleidoskop aus weichem Licht. Sie spiegelte ein orange von Aprikosen wieder, an der Stelle, an der sie fast rot sind. Sie wäre grün, wie die Rückseite eines Efeublattes, und blau wie helle Seide mit blassblondem Schussfaden. Sie trüge ein ungebrochenes Rot, unbefleckt, wie das von Frauenkleidern. Immer wenn sie schwarz würde, wäre sie auch ein bisschen blau, wäre sie ein bisschen grün, trüge leicht den Schatten von violett. Nie ist das Schwarz hier Loch. Es ist immer Grund für eine andere Farbe, schwarz ist hier noch nicht einmal Schatten. Violett und dunkler Flieder mit Grau übernehmen diesen Job. Grau und weiß wären farbenfroh auf dem Glas, weil sie nie alleine stehen. Das Gelb auf dem Putz braucht die Sonne nicht, vor allem nicht, wenn ein dunkles Rot daneben steht, oder ein klares blau unter grünen Fensterläden. Und wie das Gold unter den Kirchendecken spiegeln die Fenster das Blau des Himmels und ihr Glas wird scharfer Träger von Licht und Farbe und ist bei weitem nicht durchsichtig. Und immer wirft sich jede Farbe sich selbst ihren Ton über die Wasseroberfläche zurück.
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