
aus: „Die Technik der Malerei“ (S. 23), L. Losos, Verlag Werner Dausien (Hanau)/Artia Verlag (Praha), Prag 1988
Ultramarinblau, das Blau, das über das Meer gekommen ist – dieser Name kommt einem bei der Beschreibung der Farbe entgegen. Schließlich ist das Meer selber ultramarinblau, wenn auch oft nur für kurze Zeit. Ultramarin ist der Prototyp der Farbe Blau überhaupt. Es enthält weder Rot noch gelb und bildet im Farbkreis, zwischen Violett und Türkis seinen eigenen Schwerpunkt.
Es leuchtet wie ein Signal, ohne dabei jedoch aufdringlich zu werden. So ist es kein Wunder, dass Ultramarinblau uns ständig umgibt: Sei es in Nivea-Dosen, den Autos des Technischen Hilfswerks oder den Trikots des Hertha BSC.
Notizen zu Ultramarinblau
1. Ultramarinblau ist eine Frohnatur.
Blau ist die Farbe der Melancholie, der Sehnsucht. In der Ferne verblauen uns die Dinge, das Unerreichbare ist blau. In einem blauen Raum wird uns kalt.
Mehr als die Hälfte der Deutschen gibt Blau als Lieblingsfarbe an, man müsste sich fragen warum, gäbe es das Ultramarinblau nicht.
Ultramarinblau ist sorglos, ist ungetrübt, ist fröhlich, dem Blau zum trotz. Ultramarinblau leuchtet, strahlt, erfrischt.
2. Ultramarinblau kommt aus gutem Hause.
Ultramarinblau ist ein königliches Blau, es kleidet die Reichen und Mächtigen, gut steht es den Franzosen, den Blaublütigen besonders.
3. Ultramarinblau ist ansteckend.
Streift man an einer Hauswand entlang, die ultramarinblau gestrichen ist, irgendwo im Süden vielleicht, färben sich die Fingerkuppen blau, Ultramarinblau färbt ab.
Die Farbe hat eine hohe Dichte, sie saugt Licht auf wie ein Schwamm, ich kann sie mir nicht glänzend, nicht reflektierend, nicht transparent denken. Ultramarinblau ist ein Sommerblau. Es zieht das Helle an und alle Blicke auf sich. Würde ich mit Ultramarinblau malen, ich würde die Farbe deckend, in mehreren Schichten auftragen.
Abend, und die frischen Düfte des Aquamarins kühlen mit himmelblauen Schauern die ozeanfarbene Wasseroberfläche. Die Nacht taucht sprachlos in den tiefblaue See.
Ultramarinblau ist Königsblau Ultramarinblau ist keine schüchterne Farbe, sie drängt sich in den Vordergrund. Sie ist die Königin aller Farben.
Ultramarinblau ist Universalblau: Aufgrund ihrer Tiefenwirkung wird man in das Ultramarinblau hineingezogen. Ein unendlich tiefes Universum, das in seiner Anschauung rein und unverfälscht zur Geltung kommt.
Ultramarinblau ist Pfaublau: Im Farbton Ultramarinblau schwingt eine besondere Magie mit.
Es ist nicht dein lieblicher Gesang,
in deinem schimmernden Gewand liegt
der Unendlichkeiten Klang.
Magie schwingt in deinen Federn
in deiner eleganten Pracht,
den lauen Sommerabenden bist du Zier.
Pfau, vertrautes unnahbares Wesen,
zu Recht erhälst du den Namen:
"König der Farbe".
Es gibt wundervolles Tiefblau, betörendes Himmelblau, stumpfes Taubenblau und romanisches Kornblumenblau. Ist Tiefblau weniger schön als Himmelblau? Jede Nuance ist bezaubernd, aber nur strahlendes Ultramarinblau ist ein reines Blau, das weder einen Stich in das Violette noch in das Grünliche in sich trägt. Ultramarinblau ist ein farbintensives Pigment. Ein reines, kräftig leuchtendes Blau außer Konkurrenz. Ultramarinblau betont schon mit seinem Namen selbst seinen kraftvollen Charakter. “Ultra” steht für äußerst, extrem und übertrieben. “Marin(e)” leitet sich vom Lateinischen marinus – zum Meer gehörig – ab. Das selbe Gefühl, das der Anblick des Meeres auslöst, macht sich in meinem Bauch bemerkbar, wenn ich die extreme Weite, Tiefe und Kostbarkeit der Farbe Ultramarinblau sehe.
Provozierende sozialkritische Texte übertönen das Schlagzeugsolo. Du
verkündest jedem mit arrogantem Ton, dass du Ultraminblau zu 83 %
bedeutender findest als Aquamarinblau. Und alle glauben es dir.
"Es ist die Doppelnatur der Farbe, die einerseits als matter Puder stoffliche und haptische Qualität besitzt, doch nach längerer Betrachtung das Materielle in sein Gegenteil auflöst und in unergründliche Tiefe entrückt. Ein solcher Transformationsvorgang bewirkt die Transzendierung dieser Farbe und erklärt ihre Magie.” (aus Gercke 1990, S. 426)
Infos zu „Ultramarinblau“
(aus: Farben – Natur/Technik/Kunst, N. Welsch & C.C. Liebermann,
Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg/Berlin, 2003)
die Farbe:
„Ultramarin ist eine dunkelblaue Farbe, die innerhalb der blauen Farbfamilie den höchsten Sättigungsgrad, die höchste Leuchtkraft und die größte Wärme ausstrahlt. Ihr Name leitet sich von dem Umstand ab, dass der ursprüngliche, natürliche Rohstoff, nämlich der Lapislazuli nicht in Europa vorkommt, sondern aus dem zentralasiatischen Raum über ein Meer (lat. ultra mare) eingeführt werden musste. Deshalb ist natürliches Ultramarin-Pigment eine der kostbarsten Malfarben, die im Mittelalter mit Gold aufgewogen wurden. [...]
Obwohl Ultramarin zu den kostbarsten Pigmenten zählt, gehört es aufgrund seiner Farbeigenschaften, nämlich hoher Leuchtkraft und vor allem alterungsbeständiger Lichtechtheit zu den beliebtesten Farben in der Kunst. Lediglich gegenüber Säuren ist Ultramarin empfindlich, weil der im Farbpigment enthaltende Schwefel mit Säuren reagiert und das Ultramarin in Bildern stumpf werden lässt. Deshalb wurde die Malfarbe auch niemals für die Fresco-Wandmalerei verwendet. [...]
Aufgrund der Nachbarschaft zum Handelshafen war Ultramarin für venezianische Renaissancemaler freizügiger und kostengünstiger zu erwerben, als für die flämischen oder deutschen Zeitgenossen. In Absprache mit den Auftraggebern wurden für die zentralen oder heiligen Bildinhalte, wie Madonnenmäntel in der Renaissance oder der Himmel in der Barockmalerei, mit dieser kostbaren Farbe gestaltet.“ (S. 194 f.)
der Stein:
„Lapislazuli (auch Lasurit, Lasustein) ist ein tiefblauer Halbedelstein, der seit 5000 Jahren als Schmuck- und Schutzstein sowie als begehrter Farbpigment-Rohstoff für die Farbe Ultramarin hoch geschätzt wird. [...]
Als Farbmittel wurde der zerkleinerte Halbedelstein bereits im 6. Jahrhundert n. Chr. in Afghanistan zur Ausschmückung von Tempeln genutzt, in der indischen und chinesischen Malerei ist er ab dem 11. Jahrhundert nachgewiesen. 1271 berichtete der berühmte Orientreisende Marco Polo (1254-1324) von dem leuchtend blauen Farbpigment, das er in Afghanistan gesehen hatte. In der europäischen Malkunst spielte Lapislazuli als Rohstoff für das äußerst kostbare Farbpigment Ultramarin erst ab dem 15. Jahrhundert in der Renaissancemalerei eine wesentliche Rolle. Wegen des enormen Preises für diesen Rohstoff sollen die Auftraggeber von Bildern das Farbmittel bereitgestellt haben. Gegenwärtig werden echte Lapislazuli-Pigmente in Deutschland für mehrere Hundert Euro pro 100 g des Farbmittels angeboten. Das Pigment wird gewonnen, indem der Stein feinst zermahlen und in einem Stoffsäckchen in Wasser bewegt wird. Das dabei durch das Gewebe dringende und sich am Boden absetzende feine Pulver ist das begehrte Blaupigment, das mit einem entsprechenden Bindemittel versetzt zum Einsatz kommt. [...]
Bis in die jüngste Vergangenheit lagen die ertragreichsten und reinsten Lapislazulivorkommen in Afghanistan, und zwar im westlichen Hindukusch-Gebirge, wo der Stein seit mehr als 5000 Jahren abgebaut wird.“ (S. 191 f.)
synthetisches Ultramarin:
„ [...] synthetisches Ultramarinblau [...] wird durch Erhitzen und Schmelzen von Soda, Ton und Schwefel erzeugt.“ (S. 153)
„ Synthetisches Ultramarin ist nicht so lichtbeständig wie natürliches, doch wetterbeständig, aber nicht säureresistent. Wegen der heutigen, leicht säurehaltigen Atmosphäre kann es kaum als Außenfarbe verwendet werden. Und seine Aufarbeitung und Verwendung als Malfarbe ist ziemlich heikel, weil die Farbe u.a. leicht verläuft.
Gegenwärtig gehört synthetisches Ultramarin zu den wichtigsten Blaupigmenten, mit dem Öl- und Aquarellfarben für Künstler, Druckfarben, Lacke, Kunststoffe, Stempelfarben und Kosmetika eingefärbt werden. [...]
Da sowohl natürliches als auch synthetisches Ultramarin ungiftig ist, dürfen damit Lebensmittel gefärbt werden.“ (S. 195 f.)
Philosophie & Psychologie:
„ In der Kunst gilt Blau als Farbe der Ferne, des Geistigen und Göttlichen. Bei mittelalterlichen Gemälden wurden besonders wichtige Bildteile, Objekte oder Figuren in Blau und Gold dargestellt.“ (S. 70)
„ Einige Künstler, die sich lange mit der Farbe [Ultramarin] auseinander gesetzt haben, betrachten die Farbe als kosmisches Urelement und behandeln sie in ihren Bildern als immateriellen Gegenpol zur irdischen Welt.“ (S. 196)
„Psychologisch übt Blau genau die entgegengesetzte Wirkung wie Rot auf den Betrachter aus, nämlich beruhigend und entspannend. Blau gilt als Farbe des Gemüts, als Farbe des Träumens und der Sehnsucht. Sie soll für das Unbewusste, die Sanftheit und Tiefe stehen, aber auch für die Klugheit, die Genauigkeit, die Pünktlichkeit, die Leistung, den Mut, die Wahrheit und die Treue.“ (S. 70)
Ultramarinblau. Als müsste die Farbe ihre Kraft betonen. Ultra – stark. Als müsste sie beweisen, dass sie mehr leuchtet als andere. heller. tiefer. klarer. Es ist, als protze sie, so wie die Waschmittel in der Werbung. Alles Mega und Ultra.
Ultramarinblau. Als würde die Farbe das größte blaue etwas bestimmen, das auf der Wlet zu finden ist (obwohl das Meer ja gar nicht blau ist, sondern nur das noch größere Blau des Himmels reflektiert).
Kann man eine Farbe arrogant nennen?
Wie sieht eine arrogante Farbe aus?
Und damit bleibt auch Ultramarinblau ein Opfer unserer Versuche, Opfer meines Versuchs hier und jetzt, ihr mit Worten gerecht zu werden.
Eine glatte Fehlbenennung einer Farbe?
Oder eine glatte Fehlsozialisierung?
Festzuhalten bleibt: es ist ein eigenartiger Name für eine eigenartige Farbe.
die lieblingsfarbe meiner schwester die von den hausbooten schwärmt am fluss in der stadt und mit einem von der sonne ausgeblichenen stuhl vor der türe ist das königsblau eine farbe die es gut meint da es zwischen dem blick nach oben / in einen wolkenfreien himmel / und dem blick vom sand aus zu den vorbeiziehenden weißkantigen schiffen / verbinden kann / mittendrin vor meinem augen dieses blau sich festsetzt auch wenn nur eine kleine stelle ultramarinblau genannt werden darf / die von hier aus eventuell gar nicht sichtbar