Montag, 16. Juni 2008
Handout/Katharina Stockmann/Carpaccio
Die venezianischen Scuole
- Entstanden aus der Flagellantenbewegung des 13. Jh.
- Scuole Grandi (um 500 Mitglieder) und Scuole Piccole (50-70 Mitglieder)
- Verbindendes Interessengebiet: Handwerkszünfte, Religionsgemeinschaften, gemeinsame Herkunft usw.
- Aktivitäten: Karikative Aktivitäten, Mäzenatentum, Bau und Ausstattung des Gildehauses bzw. Altars
- Funktion in der Republik: Einbindung und Beteiligung der politisch rechtlosen Bürger, Soziale Absicherung
Scuola di San Giorgio degli Schiavoni
- Schiavoni=Slawen: Dalmatiner aus dem Süden Kroatiens (venezianisches Herrschaftsgebiet)
- 1451: Gründung der Bruderschaft und Bau der ersten Scuola (Schutzheilige Georg, Hieronymus und Triphonius)
- 1502: Erwerb einer Reliquie des hl. Georg, Auftrag an Carpaccio für Gemäldezyklus
- 1797: Sturz der Republik, Schließung aller Scuole durch Napoleon
- 1807: Wiederruf der Enteignung der Scuola di San Giorgio degli Schiavoni – die Scuola besteht bis heute
Vittore Carpaccio
- * um 1465, + 1526 in Venedig
- Wichtigste und beste Arbeiten: Gemäldezyklen für venezianische Scuole:
- 1490-1496: Leben der hl. Ursula in der Scuola der hl. Ursula (heute Accademia)
- 1502-1507: Gemäldezyklus für die Scuola di San Giorgio degli Schiavoni
- 1504-1511: Leben der Muttergottes für die albanische Scuola
- 1511-1520: Leben des hl. Stephan für die Scuola des hl. Stephan
Bilderzyklus in der Scuola di San Giorgio degli Schiavoni
Der hl. Georg bekämpft den Drachen
- hl. Georg: Christlicher Märtyrer, 3. Jh. n. Chr., Legende: Drachentöter
- Komposition: Diagonale von den Hinterfüßen des Drachen über die Lanze Georgs bis zur Prinzessin rechts oben
- Ornamentale Formen, dekorativer Wert der Linie und der Kontur, geometrische Grundformen
- Mögliche Deutung: Georg als Kreuzritter, Drache symbolisiert die Türken
- Verstreute Leichenteile: Memento Mori, Spuren eines Exzesses
Der Triumph des hl. Georg
- Georg bringt den besiegten Drachen in die Stadt und tötet ihn
- Orientalische Formen: Schauplatz der Legende in Selene, Libyen
- Venedig: Drehscheibe des Orienthandels
- Konstantinopelreisen Gentile Bellinis (1479) und evtl. Carpaccios selbst
Der hl. Georg tauft die Ungläubigen
- Statt die Prinzessin zu heiraten tauft Georg das Volk des Königreichs
- Erzählfreude Carpaccios: Schilderung von Details (Turban, Papagei, Windhund), auch mit symbolischer Bedeutung
Das Wunder des hl. Triphonius
- Märtyrer im 3. Jh. n. Chr., angeblich Gänsehirt
- Legende: Befreiung der Tochter des römischen Kaisers Jordan von einem Dämonen
- Triphonius als Kind, Dämon in Gestalt eines Basilisken
- Hintergrund: Venezianische Architektur
Das Gebet im Ölgarten/Die Berufung des hl. Matthäus
- Die beiden ersten Bilder des Zyklus (1502)
Der hl. Hieronymus führt den Löwen in das Kloster
- Hieronymus: * 347 in Stridon/Dalmatien, + 30.9.419 Bethlehem
- Dalmatischer Nationalheiliger, Kirchenvater, Übersetzung der Bibel ins Latein seiner Zeit (Vulgata)
- Legende: Ein Löwe kommt ins Kloster, um sich von Hieronymus einen Dorn aus der Pfote ziehen zu lassen und wird anschließend dessen treuer Gefährte und Attribut
- Kontrast zwischen den schrägen Linien der fliehenden Mönche und der senkrechten Gestalt des Hieronymus
- Farbe: Wiederholung des Blau-Weiß der Kutten im gesamten Bild
- Schauplatz: Kloster in Venedig (Hospiz bei San Giovanni del Tempio)
- Humor Carpaccios: Eher Situationskomik als Satire
Die Beerdigung des hl. Hieronymus
- Klage des Löwen im Hintergrund
- Komposition: Vertikalen und Horizontalen, „rhythmische“ Anordnung der Figuren
- Fehlende Tragik: Carpaccio als distanzierter Regisseur einer Theaterbühne, keine psychologische Wirkung
Die Vision des hl. Augustin
- Nicht Hieronymus sondern Augustin in der Studierstube: Bischofsmitra, Augustinerhabit
- Legende: Während Augustinus einen Brief an den hl. Hieronymus schreibt, erscheint dieser ihm in Lichtgestalt und verkündet seinen Tod
- Licht der Erscheinung fällt in den Raum, auffällig: dreieckige Schatten
- Licht und Fluchtlinien münden auf der schreibenden Hand Augustins
- Innenraum: Saal in einem venezianischen Palazzo des 15. Jh.
- Flämischer Einfluss: Versammlung von Bildern mit symbolischer Bedeutung im Innenraum: Musiknoten (Augustinus „De Musica“), Antike Skulpturen, Armillarsphäre, Altar mit zurückgezogenem Tuch (Auferstehung) etc.
- Mögliche Deutung: Augustinus im Licht der Vernunft, neue Bedeutung der Wissenschaften, humanistische Weltsicht
Freitag, 13. Juni 2008
Einstürzende Gebäude/Katharina Stockmann/Entwurf
Den Bildern unserer letzten Nummer, die den Zustand vor dem Einsturz des Turmes zeigen, lassen wir heute ein solches folgen, das unmittelbar nach der Katastrophe aufgenommen wurde. Was dabei wohl am meisten auffällt, ist der verhältnismäßig kleine Schuttkegel, der durch den gewaltigen eingestürzten Bau gebildet wurde. Die enggezogenen Grenzen der Zerstörung zeigen, dass der Turm in des Wortes strengster Bedeutung in sich selbst zusammengestürzt ist.
An der südöstlichen Ecke der Piazza di San Marco, dort wo sie an die kleinere Piazzetta stößt, bildet sich jeden Tag ab halb neun eine Schlange. Schließlich lassen sich nur wenige Venedig-Besucher das Erlebnis entgehen, für acht Euro zur Aussichtsplattform des Markusturms hinaufzufahren. Aus den Arkaden des Glockenstuhls heraus haben sie einen weiten Blick über die Stadt und die Lagune bis zu den Industriegebieten von Mestre. Sie können sich sicher fühlen, schließlich befinden sich unter ihren Füßen 50 Meter solides Ziegelmauerwerk, dass nur durch winzige Fenster durchbrochen wird und dessen einziger Schmuck breite Wandpfeiler an allen Seiten sind. Ein fünf Meter großer goldener Engel wacht über ihren Köpfen – ganz oben an der Spitze des kupfergrünen Pyramidendachs.
Der Einsturz erfolgte Montags den 14. d. M., vormittags vor 10 Uhr. Der Platz war vorher abgesperrt worden, da ein großer Riss am Turme sichtbar geworden war. Gleichsam das Signal zum Zusammenbruch gab der Absturz eines großen Steinblockes von der Nordostecke des Turmes; er schmetterte auf die Logetta nieder. Dann stürzte der Turm langsam in sich zusammen, entsprechend den Regeln der Statik und Dynamik, die die Herren Theoretiker bei der Niederlegung von hohen Türmen und Kaminen aufgestellt haben und worüber sich auch in unserer Zeitschrift wertvolle Aufschlüsse finden.
Wer in Venedig bauen will, muss einige Regeln beachten: Damit die Pfähle, auf denen die Grundmauern stehen, nicht zu tief in den Boden einsinken, muss die Konstruktion so leicht wie möglich sein. Das Gewicht sollte gleichmäßig auf die Fundamente verteilt werden, sonst kommt es zu einer einseitigen Absenkung und damit zur Schieflage des Gebäudes.
Ein Turm erfüllt keine dieser Vorgaben. Dennoch wurden im Jahr 888 über 100.000 Holzpfähle in den Mergelboden unter der Lagune getrieben um darauf einen Campanile zu bauen. Im Jahre 1517 war der Markusturm 98,6 Meter hoch, höher als alle anderen Gebäude der Stadt. Und tatsächlich wich er in den nächsten 400 Jahren um kein Grad von der Senkrechten ab. Nicht sichtbar waren dagegen die langsame Verschiebung des Erdreichs, der Druck auf die Fundamente, die Spannungen im Mauerwerk und die wachsende Porosität der Tonziegel.
Allen, die Venedig kennen, wird die Kunde von dem unerwarteten Einsturz des mächtigen Glockenturms von San Marco schmerzliche Gefühle erweckt haben. Denn Venedig ohne den Campanile von San Marco ist nicht mehr Venedig.
Während die Menschen noch staunend auf dem Trümmerhaufen am Rand der Piazza herumkletterten, stand der Beschluss bereits fest: Die Ziegel, die sich jetzt noch zu einer amorphen Masse auftürmten sollten sortiert, gezählt und nummeriert werden, Architekten kramten die alten Baupläne aus den Archiven und hohe Spenden aus dem Ausland gingen ein.
Der Markusturm von Venedig sollte wieder aufgebaut werden – com’era, dov’era: Wie er war und wo er war.
Warum kein Venedig ohne Campanile?
Wer sich nicht gerade vorgenommen hat, den Campanile zu fotografieren oder seine Aussichtsplattform zu besuchen, wird auf der Piazza di San Marco an ihm vorbeilaufen. Hoch aufstrebend, breit und massig wie er ist, übersehen ihn die Menschen, weil ihre Augen vom Rhythmus der Fassaden fort getragen werden, um sich in den Kuppeln und Zinnen der Markuskirche zu verlieren.
Was wäre der Platz ohne den Turm? Würde seine Einheit zerbrechen, seine Bögen, Säulen und Pilaster abrutschen wie Perlen von einer gerissenen Kette? Würde er zu einer nichts sagenden Ansammlung ehemaliger Verwaltungsgebäude und Renaissance-Plattenbauten abflachen? Oder wäre er einfach alltäglicher, heller und offener als zuvor?
Ihren Tag organisieren die Venezianer schon lange, ohne dass die Glocken von San Marco ihnen die Uhrzeit, den Feierabend oder Ratsversammlungen anzeigen müssen. Heute fügt sich das Geläut perfekt in den täglichen Venedig-Klangteppich ein und dringt kaum noch ins Bewusstsein.
Auch als Bezugspunkt in der Stadt enttäuscht der Campanile. Touristen, die mit einem Orientierungsbild aus den Medien nach Venedig kommen, müssen feststellen, dass der Turm in den engen Gassen der Stadt nicht einmal kurz vor dem Markusplatz zu sehen ist. Trotz des unbehaglichen Gefühls, eigentlich über Umwege geschickt zu werden, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als den gelben Schildern über ihren Köpfen „per San Marco“ zu folgen.
Auch die Kreuzfahrtdampfer, die sich durch den Canale de Giudecca schieben, brauchen den Turm nicht mehr zur Navigation. Längst musste er seine Herrschaft über die Adria an Aida das Clubschiff abgeben.
Warum also der Wiederaufbau des Campanile com’era, dov’era? Wer braucht ihn noch und warum? Und was würde passieren, wenn er wieder einstürzt?
Was ist los mit Venedig? Die „Wahrnehmung zweiten Grades“
18:00: Austausch und Pause im Garten/Kreuzgang von Don Orione: Zehn Minuten für eure ersten Eindrücke von Venedig:
Irgendetwas stimmt nicht mit dieser Stadt, das ist klar. Venedig kriegen wir nicht auseinandergefaltet, wir fahren den Canal Grande entlang und wissen: wie das Leben auch sei - so jedenfalls kann es nicht sein. Und trotzdem haben wir das doch alles schon einmal gesehen, sind wir hier überall schon einmal gewesen.
Durch die Stadt zu gehen, und auf Bekanntes zu treffen macht zufrieden und schläfrig, und doch ist leichte Panik ständig dabei. Die Angst, nicht entkommen zu können, gegen Kirchenmauern zu rennen, wie gegen Gummiwände und an den Palastfassaden abzurutschen.
Was ist los mit Venedig, warum ist es so schwer, diese Stadt zu begreifen?
These: Die Gestalt der Stadt Venedig reproduziert sich aus Bildern
Wiederaufbau des Campanile: Venedig wird den Bildern von Venedig angepasst. Die Bilder übernehmen die Oberhand.
Sonntag, 8. Juni 2008
Venedig heute/Katharina Stockmann/Zufluchtsort
Im Jahr 2007 wurden 8.842.874 Übernachtungen in Venedig gezählt. Millionen Menschen also, die mit dem Flugzeug, dem Zug oder dem Auto angereist sind, die Nacht in einem Hotelbett verbracht und tagsüber zu Fuß Ziele im historischen Zentrum angesteuert haben.
Welchen Grund haben diese Menschen, eine Stadt zu besuchen, deren Geschichte bereits geschrieben ist, die mit allen Mitteln konserviert wird und deren Bewohner abwandern?
Der Werbetext für das Hotel Charming House auf der Internetseite www.escapio.de gibt eine Antwort: Venedig macht die „romantische Flucht aus dem Alltag“ möglich. Hans-Josef Ortheil schreibt unter dem Titel „Oasen für die Sinne“ über die Lagunenstadt und ein Veranstalter von Hochzeitsreisen verspricht „einen Hort der Inspiration und Zuflucht“. Es geht also darum, sich zurückzuziehen und aus täglichen Lebens- und Arbeitszusammenhängen in eine neue Umgebung zu entkommen.
Venedig eignet sich besonders gut als Zufluchtsort, weil es so geschlossen ist. Weder werden die Ohren hier von Autolärm gestört, noch die Augen von moderner Architektur, Verkehrsampeln oder U-Bahnstationen. Wer nach Venedig reist, wird keine großen Überraschungen erleben, weil die Stadt auch wirklich so aussieht, wie sie von Bildern und aus Filmen bekannt ist. Außer den Touristen selbst fällt hier kein Detail aus dem Rahmen, sondern alles, von den verwaschenen Farbverläufen der Häuserfassaden bis zum trägen Schwappen der Kanäle, fügt sich in die Venedig-Erwartung der Ankommenden ein.
Das deutsche Gourmetmagazin A-la-Carte beschreibt Venedig als „Zuflucht für Besucher aus aller Welt, die hier die Vergangenheit als Gegenwart erleben“. Weil es sich, bis auf seinen stetigen Verfall, seit Jahrhunderten nicht verändert hat, weder wachsen noch untergehen wird, bietet Venedig einen Kontrast zu einer Gegenwart, die als Belastung empfunden wird.
Seine Bestimmung als Zufluchtsort, die bereits mit der Stadtgründung beginnt, hat Venedig also bis heute nicht verloren. Im 5. Jh. n. Chr. waren es die Westgoten und Hunnen, die die Menschen auf die unwirtlichen Salzwiesen der Lagune trieben. Heute ist es der nostalgische Wunsch, aus einer urbanisierten und vernetzten Welt in ein Stück vermeintliche Vergangenheit zurück zu reisen, für den sich Millionen Menschen in Venedig versammeln.
Freitag, 16. Mai 2008
Bildbeschreibung/ Katharina Stockmannn/ Frari-Triptychon Teil 4
Giovanni Bellini: Frari-Triptychon
Teil 4
Oben und unten durch einen goldenen Rahmen begrenzt zeigt das Gemälde von Bellini die Hälfte einer Nische, in der sich eine große Frauenfigur und ein kleiner Engel befinden.
Eine gemalte Architektur gliedert das Bild in drei Streifen. Ganz oben leuchtet eine goldene Kuppel hervor, die durch einen schwarzen Halbkreis abschließt. Auf der linken Seite trennt ein breiter brauner Balken sie vom Rahmen. Auf dem glänzenden Goldgrund verläuft eine lateinische Schrift in zwei dünnen Zeilen. Nach unten hin schließt ein schmales Band mit kreuzartigen Ornamenten den Bereich der Kuppel ab. Darunter beginnt, markiert durch ein gemaltes Holzsims, der zweite Bildstreifen: Mehr als die Hälfte der dunkelroten, gemusterten Tapete der Nische wird hier vom Körper der sitzenden Frau auf der rechten Seite verdeckt. Ihr Stuhl steht auf einer großen Holzplatte, die von einem schmaleren Sockel mit geometrischen Mustern getragen wird. Der Sockel wiederum wird durch drei Marmorstufen erhöht. Dieses Podest bildet die Grenze zum dritten Streifen des Bild. Der kleine Engel unten links bildet von hier aus eine Diagonale mit der Frauenfigur oben rechts.
Die drei Bildbereiche fallen vor allem durch ihre Farbigkeit auf. Während das leuchtende Gold und das Braun der Kuppel sich ganz unten im Podestaufbau und dem Gewand des Engels wiederholen, wird der mittlere Bereich völlig durch die Farben rot und blau bestimmt.
Vor allem der leuchtend blaue Schleier der Frau fällt sofort auf. Obwohl ihr Körper vom rechten Rand abgeschnitten wird und sie sich nicht im Zentrum befindet, bildet sie den Schwerpunkt des Bildes. Die sitzende Gestalt zeigt sich in Frontalansicht. Der lange Hals und das gleichmäßige und ernste Gesicht sind fast vollständig sichtbar, weil der Kopf leicht nach links geneigt ist. Die linke Hand führt zur rechten Brust, ist allerdings abgeschnitten. Über einem dunkelroten Gewand trägt die Frau einen leuchtend blauen Schleier, der mit einem Diadem am Kopf befestigt ist. Er bedeckt fast ihren gesamten Körper und fällt in verschachtelten Falten bis zu ihren Füßen herunter.
Der Engel steht in gebeugter Haltung unter dem Podest. Er hat einen Fuß auf die erste Marmorstufe gestellt, um seine Laute auf dem Knie ablegen zu können. Seine Figur und sein Gesicht sind die eines Kindes. Er hat zwei kurze braune Flügel, die nach oben hin ausgebreitet sind. Bis auf ein winziges, goldfarbenes Gewand, das von einer Kordel zusammen gehalten wird, ist er fast nackt.
Das Licht, das auf beide Figuren fällt, scheint von vorne zu kommen. Das Gold der Kuppel wirkt allerdings eher, als würde sie aus der Nische selbst heraus beleuchtet.
Der Rahmen des Bildes ist unten breit und gerade. Mehrere feine Ziermuster umschließen ein breites Band mit floralem Dekor. Oben bildet der Rahmen ein schmaleres Halbrund, das nach oben rechts aufsteigt. Hier ranken sich zusätzlich filigrane Schnitzereien nach oben, die ganz rechts mit einer langen, empor stehenden Form abschließen, die an einen schlanken, halbgeschnittenen Kelch erinnert.
Ultramarinblau/ Katharina Stockmann/ Ultramarinblau
Ultramarinblau, das Blau, das über das Meer gekommen ist – dieser Name kommt einem bei der Beschreibung der Farbe entgegen. Schließlich ist das Meer selber ultramarinblau, wenn auch oft nur für kurze Zeit. Ultramarin ist der Prototyp der Farbe Blau überhaupt. Es enthält weder Rot noch gelb und bildet im Farbkreis, zwischen Violett und Türkis seinen eigenen Schwerpunkt.
Es leuchtet wie ein Signal, ohne dabei jedoch aufdringlich zu werden. So ist es kein Wunder, dass Ultramarinblau uns ständig umgibt: Sei es in Nivea-Dosen, den Autos des Technischen Hilfswerks oder den Trikots des Hertha BSC.
Donnerstag, 8. Mai 2008
Karminrot/Katharina Stockmann/Karminrot
Stadtgeüst/ Katharina Stockmann/ Anlage und Struktur der Stadt Venedig
Der Buchautor Tiziano Scarpa vergleicht den Umriss Venedigs mit einem Fisch. Auch die Erinnerung an einen auf der Seite liegenden Schinken liegt nahe, wäre aber aufgrund des fehlenden Bezugs zum Wasser weniger passend.
Im Westen wölbt sich die Stadt in alle Richtungen kreisförmig aus, in Richtung Osten verengt sich diese Form um sich ganz am Ende noch einmal fächerartig zu verbreitern. Im Nordosten liegt die Friedhofsinsel San Michele in Isola wie ein frei schwebendes Rechteck im Meer. Ebenfalls etwas entfernt erstreckt sich im Süden des Stadtkörpers die lange geschwungene Form der Insel Giudecca an deren östliches Ende San Giorgio Maggiore anschließt.
Seit 1933 ist Venedig über den Ponte della Libertá mit dem Festland verbunden, der die Stadt auf Landkarten wie eine Kirsche am Stiel aussehen lässt.
Nahe der Zufahrt zum Ponte beginnt der breite Canal Grande. Er teilt Venedig vom Nordwesten bis in den Süden in Form eines großen umgekehrten S.
Viele kleinere Kanäle durchziehen alle Teile der Stadt. Teils sind sie rechtwinklig oder parallel angelegt, wie Strassen, teils kann man vielleicht noch die früheren Inselformen in ihnen erkennen. Über das Gitter der Kanäle legt sich das der Straßen, die dem Wasser entweder folgen oder es überschneiden. Durch die Verschränkung dieser beiden Strukturen entsteht ein unregelmäßiges und kleinteiliges Muster. Auf diese Weise macht die Stadt einen labyrinthischen Eindruck.
Das historische Zentrum von Venedig, um dass es in diesem Text geht, ist in Sestieri also Sechstel gegliedert. Im Westen der Stadt befinden sich Canareggio, San Croce, San Polo und Dorsoduro, das die Inseln Giudecca und San Giorgio Maggiore einschließt. San Marco erstreckt sich im Zentrum, östlich des Canal Grande. Weiter im Osten, wo sich der Umriss der Stadt wieder verengt liegt Castello.
Venedig hat mehrere Zentren, die sich teilweise bereits auf der Karte ausmachen lassen.
Der Stadtteil Canareggio im Nordosten wird durch breite, parallel verlaufende Kanäle gegliedert. Umso mehr fällt hier eine kleine runde Insel auf, die nur über drei Brücken mit den umliegenden Strassen und Häusern verbunden ist. Bis zum Ende des 15. Jh. befanden sich auf dieser Insel die Gießereien Venedigs, daher ihr Name „Ghetto“. 1516 wurde vom Senat beschlossen, dass sich Juden in Venedig ausschließlich auf dem begrenzten Raum des Ghettos ansiedeln durften. Auf diese Weise ent,wickelte sich die Insel zum Zentrum des jüdischen Lebens in Venedig.
Ein weiteres Zentrum bildete sich an einem der nur drei Übergänge über den Canal Grande im Rialto. Hier befindet sich, an einer scharfen Biegung, die engste Stelle des Kanals, so dass schon 1175 die erste Brücke gebaut wurde. Der Rialto wurde zum Geschäftsviertel Venedigs. Banken, Kaufleute aber auch die Stadtverwaltung siedelten sich hier an. Die Brücke über den Canal Grande hielt der Belastung nicht stand. Immer wieder stürzte sie in den kommenden Jahrzehnten und Jahrhunderten ein und musste neu aufgebaut werden. 1591 wurde schließlich die überdachte Steinbrücke fertig gestellt, die immer noch steht.
Im Süden der Stadt, wo der Canale di San Marco eine breite Bucht bildet, liegt der Markusplatz. Eine befestigte Hafenmauer, der Molo, trennt ihn vom Wasser des Bacino di San Marco. Der Platz selber hat von oben gesehen die Form eines L. Das längere Ende wird Piazza, das kürzere Piazetta San Marco genannt. Mit der Markuskirche und dem Dogenpalast befanden sich hier sowohl das geistliche als auch das politische Zentrum der Republik Venedig.
Im Osten der Stadt fällt ein großes Wasserbecken auf. Hier befand sich seit Anfang des 12. Jh. das Zentrum des venezianischen Schiffbaus, der Arsenal. Von zahlreichen Werften und weiteren Industriebetrieben wurden hier, vor allem zu Zeiten der Republik, Kriegs- und Handelsschiffe gebaut und ausgerüstet. Westlich des Arsenals erstreckt sich schließlich das große Hafengelände.
Ob diese Beschreibung aus der Vogelperspektive jemandem weiter helfen könnte, der nie in Venedig gewesen ist, bleibt fraglich. Dennoch lassen auffällige Unterschiede zu anderen Stadtplänen, wie beispielsweise dem von Hildesheim, erwarten, dass Venedig auch in Realität vom gewohnten Bild einer Stadt abweicht.
Mittwoch, 30. April 2008
Venedig/Smaragdgrün/Katharina Stockmann/Smaragdgrün
Smaragdgrün ist ein intensives, leicht ins Bläuliche gehendes Grün. Die Farbe des Namen gebenden Edelsteins variiert von einem hellen, minzfarbenen bis zu einem tiefen Moosgrün. Wohl ausgehend von den lichtreflektierenden Eigenschaften des Steins gilt Smaragdgrün als besonders leuchtende Farbe. Das wird deutlich, wenn zum Beispiel von den smaragdgrünen Augen einer Person oder smaragdgrünem Wasser gesprochen wird.
Venedig/ Vorstellung/ Katharina Stockmann/ Ein Bild von Venedig
Ein Bild von Venedig kann man hier in Paris zum Beispiel im Louvre finden. Geradeaus an der Mona Lisa vorbei in einem Nebenraum auf der rechten Seite hängt der „Blick auf San Marco“ eines Malers, der passenderweise Antonio Canal oder Canaletto heißt.
Die Stadtansicht entspricht ziemlich genau den Vorstellungen, die ich von Venedig habe, wahrscheinlich gerade deshalb, weil ich noch nie da war.
Der Blick auf Venedig geht von einer glatten Wasserfläche mit glitzernden Lichtreflexen aus. Im Vordergrund sind mehrere kleine Boote zu sehen, auf denen Männer mit roten Mützen und braunen Westen rudern, Seile festzurren und miteinander diskutieren. Eine Venezianerin wird auf einer Gondel vorbeigefahren. Andere Gondeln sind entlang des Ufers festgemacht. Eine ist besonders groß und nicht schwarz, sondern golden, wahrscheinlich die des Dogen von Venedig. Den Hintergrund bildet die Silhouette der Stadt mit dem Glockenturm der Markuskirche, dem Markusplatz und dem Dogenpalast, der sich rosa vor den ansonsten grau-blauen Farben des Gemäldes abhebt.
Über der gesamten Komposition hängt ein feiner gräulich-weißer Dunstschleier, der sich in Nebelwolken vor dem blauen Himmel fortsetzt.
Canalettos Auftraggeber, wahrscheinlich englische Touristen, hatten sich wohl ein Bild gewünscht, dass alle Elemente versammelt, die als typisch für Venedig gelten. So unterscheidet sich das Gemälde kaum von Abbildungen heutiger Postkarten und Reisekataloge.
Viel Wasser und damit auch Kanäle, Gondeln und Brücken sind auch das erste, was mir einfällt, wenn ich an Venedig denke. Allerdings verbinde ich mit der Lage der Stadt in der Lagune auch, dass es Überschwemmungen gibt, eine hohe Luftfeuchtigkeit, Schwüle, Nebel und unangenehme Gerüche. Immer wieder kann man auch lesen, dass Venedig eines Tages ganz in der Lagune versinken wird.
Vielleicht ist es gerade ihr möglicher Untergang, der die Stadt so geheimnisvoll macht. Sie scheint eine besondere Wirkung auf jeden zu haben, der sie besucht. In Thomas Manns Erzählung „Der Tod in Venedig“ wird ein alternder Dichter auf einer Reise in die Lagunenstadt plötzlich heftig wie nie von verzehrender Leidenschaft gepackt. Venedig gilt als romantisch und deshalb auch als klassisches Ziel für Hochzeitspaare in den Flitterwochen.
Nicht zuletzt ist es natürlich die Kunst, die die Stadt so berühmt macht. Maler wie Tizian und Tintoretto waren vor allem für die besonderen Farben ihrer Gemälde bekannt. Im nächsten Jahr findet wieder die Biennale von Venedig statt. Sie sorgt dafür, dass auch im 21. Jahrhundert neue Bilder der Lagunenstadt entstehen. Wie zum Beispiel die Fotos, die die Aktion „Nellanutella“ der Künstlergruppe Gelitin dokumentieren. Vor den Häusern und Brücken der Stadt stürzen sich die vier Österreicher auf unterschiedlichste Weise in das trübe Wasser der Kanäle und machen aus der Postkartenansicht eine Slapstickkomödie.