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Sonntag, 22. Juni 2008

220608/ Marion Starke/ Murano

Glaswunder

Nördlich des Stadtzentrums von Venedig befindet sich die Inselgruppe Murano. Bereits seit 1292 war Murano die Hauptinsel der Glasindustrie Venedigs. Heute weltweit bekannt durch hohe Qualität und Stabilität, aber vor allem durch mannigfaltig kunstvolle Farben und Formen (Flügel-, Fadenglas und mehr). Schon früh von der Glaskunst des Orients angeregt, wurden neben Gläsern, Vasen und Schalen zudem auch bunte Glasflüsse für Mosaiken hergestellt. Dem Herstellungsgeheimnis verbunden, war es den Glasbläsern von Murano unter Todesstrafe nicht gestattet die Insel zuverlassen.

Am offenen Feuer ausgeführt, entdeckten die Glasbläser neue Methoden zylindrisch geblasenes Spiegelglas herzustellen und große Glasflächen zugießen. Das kostbare Glas war bei europäischem Adel und Geistlichkeit besonders beliebt und ist in vielen Renaissance- und Barockschlössern zu finden. Inneneinrichtungen und Spiegelkabinette kleiden sich in cristallo. Wasserspiegelungen der Lagunenstadt findet man in den Salons wieder, als Glasspiegelungen: Abbildung, Widerspiegeln, Illusionen.

Mundgeblasene Kunstwerke aus Original Muranoglas, die keinen weiteren Sinn haben als zu erfreuen und zu verstauben, werden in Quantitäten an Touristen verkauft. Durchgefärbtes Millefioriglas mit blumenähnlichen, rundlichen Mustern, von bester Qualität, in meinem Koffer.

220608/ Marion Starke/ Bellinis Sacra C.

Giovanni Bellini: "Sacra Conversatione" in der Kirche San Zaccaria in Venedig, gemalt 1505.

Nun stehe ich vor Bellini. Ich will mich hinzu gesellen zu dieser "Sacra Conversatione". Will dieser heiligen Unterhaltung lauschen. Worin besteht diese Unterhaltung zwischen der Muttergottes und dem Jesu Kind und den vier Heiligen: Katharina, Hieronymus, Luzia und Petrus? Alle Figuren sind weder mit Blicken noch mit Worten einander zugekehrt. Sie schauen nach innen und genießen das Sakrament der Stille. Zufriedenes Einverständnis. Zu Füßen der Muttergottes auf den Stufen des weißem Marmorthrons sitzt ein weiterer Gesprächsteilnehmer an der Sacra Conversazione des Giovanni Bellini: ein musizierender Engel. Er blickt mich an und sagt “...es ist gut hier zu sein” und es erklingt diese unhörbare Musik. Ich bin im Bilde.

Nur Künstler, Heilige und Kinder können diese innere Stille der Heiligen Unterhaltung entstehen lassen. Sie sind in Stille mit Gott.

220608/ Marion Starke/ Tintorettos Verkündigung

Jacopo Tintoretto: "Die Verkündigung". 1583–1587, Scuola Grande di San Rocco, Venedig

Die Malschule Scuola Grandi di San Rocco aus dem 16. Jh. ist durch ihren außerordentlichen Besitz über sechsundfünfzig Bilderzyklen von Tintoretto berühmt. Alle drei Säle der Scuola wurden von Tintoretto mit Gemälden bestückt/beschmückt, auch die Deckengemälde stammen von ihm, so dass die Scuola als sein Gesamtwerk angesehen werden kann. Die Gemälde sind eine der bedeutendsten Bildersammlungen der Welt und der umfangreichste biblische Zyklus der ital. Kunst. Angefangen mit Adam und Eva, hat Tintoretto bis hin zur Erlösung der Menschen durch den Opfertod Christi den christlichen Glaubenskosmos entworfen.

Das Bild, das dem Besucher der Scoula di San Rocco als erstes ins Auge fällt, ist die Verkündigung des unteren Saals. In besonders dynamisch-dramatischer Weise erzählt Tintoretto hier die Verbindung der tranzendenten und der irdischen Welt.

Erzengel Gabriel fliegt in vollem Schwung ins Gemach der Maria. Das Haus ist einem Abbruchhaus gleich: bröckelnde Wände, ohne Tür und Fenster. Im Kontrast dazu stehen der Fußboden aus zweifarbigem Marmor und die kostbare Kassettendecke. Vor allem aber der prächtig rot leuchtende Baldachin, der üppig über das Bett im Hintergrund trohnt. Die jungfräuliche Maria, fleißig und fromm, mit Nähkorb, Spindel und Lektüre im Schoß. Sie wird überrascht vom Einfall Gabriels. Überfall. Über ihm fliegt eine ganze Putti-Schar. Wirbelwind. In helldunkelen Lichtern und Schatten überstrahlt die Taube des Heiligen Geistes das Geschehen. Der bibelkundige Bildbetrachter weiß um die Verkündigung und den Verweis auf die Taube: “Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten.” (Lk 1,35).

Im linken Teil des Bildes, draußen, vor einem hellen Morgenhimmel, sägt der tüchtige Josef Holzbretter zurecht. Er arbeitet an der Wiederherstellung einer venezianischen Palastruine. Alles recht virtuos gemalt. Ein Rebus ist der leere Stuhl. Ein ganz einfacher Stuhl, in der Mitte des Bildes angeordnet, grad unter dem leuchtenden Erzengel, und gegenüber der erschrockenen Maria. Ein Sperrmüllstuhl mit zerschlissenem Bastgeflecht. Ein Platz. Ein Platz für wen auch immer.

Donnerstag, 19. Juni 2008

190608/ Marion Starke/ Kaleidoskop




Burano zieht an!

Burano kleidet sich in kunterbunten Schichten. Dicht nebeneinander reihen sich Maigrün, Violett, Karminrot, Altrosa, Kanariengelb, Pink, Ocker, Ulramarinblau und noch viele andere Farben in den unterschiedlichsten Schattierungen. Burano ist eine Farborgie für die Augen und heute Anziehungspunkt für viele Künstler.
Wieder bietet Venedig die Frage: Ist diese Villa Kunterbunt mit seinen kleinen angemalten Häuschen eine Theaterkulisse oder ist das Wirklichkeit?

Mittwoch, 18. Juni 2008

180608/ Marion Starke/ Lagunenmeer

Ein Objektivierungsversuch.


Über das Meer und die Lagune.

Das Wasser der Lagune funkelt geheimnisvoll: acqua luminosa. Ein milchiges Smaragdgrün, das sich wie ein wanderndes Farbmosaik auf den blätternden Hausfassaden spiegelt.

Zwischen den schwimmenden Plastikflaschen klettern vereinzelt Krebse an tannengrünen Gewächsen zur Oberfläche. Farn aus Atlantis dringt zur Oberfläche, bricht das wertvolle Funkeln. Arielles Haare, Verwehungen im Algenmeer. Birgt die Stadt Versunkenes? Ich würde gerne in der Lagune tauchen. Ich würde gerne diese Lagune taufen.

Die Insel hüllt sich in einen diesigen Schleier drückender Hitze. Ein klebriger Film feuchter Schwüle umgibt mich und lässt nicht los. Die Luft sieht so schwer aus wie sie sich anfühlt. Sie wickelt sich wie Frischhaltefolie um meine Haut. Ich zwänge mich zwischen den Pfützen der Schatten. Grüne Killermücken kühlen ihre Füße auf meinem klebrigen Körper. Meine Haut ist eine Spielwiese. Schwüle, Sonne, Hitze und immer wieder Hitze. Ich schwitze und verschwimmen in der Lagune.

Wenn diese Kreuzfahrtdampfer durch den Canal de Guidecca fahren, sieht es so aus, als würden sie irgendetwas vor sich her schieben – als würden sie auf einem Fließband laufen. Bewegen sich die Kreuzfahrtschiffe? Bewegen sie die Stadt? Verschieben sie die Silhouette der Serenissima?

Ein Moosteppich aus Algen bedeckt die Treppenstufen der Vaporettostationen. Unterschiedliche Farb- und Klangschattierungen ertönen in den Wasserstraßen zu verschiedenen Phasen des Tages. Das Plätschern des Wasser, die Wellen, wie sie gegen die Planken der Vaparettos peitschen. Kleine Mückenlarven werden aus der Bewegung des Wassers heraus gewirbelt. Kleine Elfen surren.

180608/ Marion Starke/ Venedig Bedeutung

Venedig heißt für mich ein Stück Vergangenheit aufsaugen. Von kulturellen Streifzügen über Maler, Kurtisanen und Poeten. Von kulinarischen Streifzügen in Trattorien über das Leben und Lieben auf der Piazza. Von zahlreichen Bauwerken verschiedener Stilepochen, die steingewordene Zeugnisse der Stadtgeschichte sind. Von Glanz, Melancholie und Künstlichkeit in Geschichten, Gedichten und Berichten, die das Fluidum, der über den Wassern schwebenden Serenissima, zu mir trägt.


Venedig heißt für tausend gurrende Tauben auf den Zinnen der Paläste sitzen. Von Büste zu Büste fliegen, Tramezzini-Brotsamen zu picken, Fotografen zu erschrecken, Dreck auf dem Mamorboden verteilen, kreischenden Weibern entgegen zu flattern, im Gesims der Markuskirche nächtigen und sich auf den Köpfen der Löwen zu vermehren.

170608/Marion Starke/Tod in Venedig

„Tod in Venedig“ ist die Zeit „wenn die Gondeln Trauer tragen“

Venedig heißt für ca. vier ausländische Touristen im Jahr eine Stadt voller Mysthik. Ein Trug-, ein Traumbild, das dazu veranlasst sich das Leben zu nehmen. Ganz bewusst wählen sie die Stadt in der Lagune. Depressionen, private und berufliche Probleme schüren vor allem bei Singles um die 40 Selbstmordgedanken, die die Schriften von Richard Wagner und Thomas Mann lasen. Das "Venedig-Syndrom" lässt Frauen eine Überdosis Schlaftabletten im überteuerten Hotelzimmer nehmen und Männer aus dem Fenster oder von der Rialto-Brücke in den Canale Grande stürzen.

Montag, 16. Juni 2008

160608/ Marion Starke/ 1000 Füße auf dem Markusplatz

Ich habe mehrere Baustellen. Hier ein Touristen-Text, den ich momentan noch überarbeite. Ich überlege eine andere Erzählperspektive einzubringen.

Millionen Füße auf dem Markusplatz

Millionen Schuhsohlen reiben die Pflastersteine blank. Millionen Hände schmirgeln den Marmor der zwei Säulen auf der Piazzetta dei Leoncini glatt. Was mögen sie denken, in jenem magischen Moment, an dem sie zum ersten Mal ihren Fuß auf den Platz setzen? Geht es ihnen wie dem Schriftsteller Julien Green, der befürchtete seinen Verstand zu verlieren? Oder versuchen sie sich in Ironie zu retten wie Goethe auf dem Campanile über Taschenkrebse räsonierte oder Hemingway, der im Dom ein Hollywoodkino sah?

In den Kanälen spiegeln die Facetten dicht gedrängter Fassaden - klein, verwinkelt, versteckt. Die Plätze schaffen in der Enge wieder Weite. Doch sie alle verblassen im Angesicht DER Piazza. Wo er ist, ist der Herzschlag Venedigs. Dieser Ort, an dem Sissi verschmäht und Mussolini bejubelt wurde. Seit dem 12. Jahrhundert in seinen Ausmaßen unverändert. Nur ein Schritt und schon steht man in einem Gemälde von Veronese oder Carpaccio. Ein begehbares Wunder. Wann kann man schon mal ein Gemälde betreten?

In den von der Gotik bis zur Renaissance umrahmten Schaufenstern thronen auf samtenen Dekolleltés diamantene Goldketten, wie die Terrassen auf den Dächern Venedigs. 32 Souvenirhändler mit Plastikgondeln, 8 Markusplatzfotografen mitsamt rollendem Computerstudio, 16 Markusplatzmaler, die ihre Staffeleien unentwegt neu vor dem immer gleichen Motiv arrangieren ohne dabei verrückt zu werden, 20 Muranoglasschlepper und eine Hand voll amtlich zugelassene Taubenfutterverkäufer. Sie verbrauchen den Charme der Goldmiene. Sie besetzen Markus.

Durch Venedig wie durch ein Museum führt einen eine Frau Mitte 40 mit rot-weißem Schirm von den Tafelbildern gotischer Ikonenmalerei zu bewegten Szenerien in leuchtenden Farben der Renaissance. Ein Ausflug der Touristen in die blattgoldene Ewigkeit der Markuskirche. Texte, Mythen, Geschichten, die in unserer heutigen Zeit ihre Macht und ihre Bedeutung verloren haben. Sind Glaube und Kunstgenuss zu vereinbaren?

In der Siesta, wenn die Schatten länger werden, versuchen Hobbyknipser das Zusammenspiel von Licht, Luft, Wolken und Wasser einzufangen. Die Sonne steht im Westen und lässt die Goldmosaiken der Markuskirche glitzern. Jenen Bruchteil einer Sekunde lang, in dem sich die Linse öffnet, mit nach Hause nehmen. Gibt es das digitale Glück?

Das Wasser drückt dich durch den steinernen Fisch in die Schleifspuren der Touristen. Bis zum Campanile glänzt das Pflaster feucht, wie vom Blut getränkt, das einst den Mamor vor dem höchsten Bauwerk Venedigs verfärbte als ein argentinischer Tänzer in die Tiefe stürzte. Es war 12 Uhr, die Glocken läuteten, er breitete die Arme aus und fiel wie ein Engel hinab.

In der Basilica wachen 25 Monsignores über die in Goldrausch verfallenen Menschenströme. Mehr oder weniger andächtige Augen saugen zwischen ~500 antiken Säulen 4.240 m² Mosaik in Kanzel und Kuppel auf. Spüren sie die Gegenwart der Gebeine des Evangelisten?

Auf der Terrasse des Caffé Quadri sitzt eine junge Japanerin mit Skizzenbuch und zeichnet Umberto, der hier seit 25 Jahren arbeitet und wie ein Zirkusdiregent 18,- Euro teuren Cappucino rechts und links durch die Tischreihen balanciert. Auch das Geld fliesst in Venedig. Die meisten Besucher fahren im 6er-Pack, eine Stunde mit "O sole mio!" jodelndem Gondoliere - ein bisschen Canale Grande, kleine Wasserstraßen, knipsen, winken, filmen. Ca d' Oro, Dogenpalastes, Campanile, San Marco, Tauben auf den Köpfen der Heiligen füttern, Abfahrt zur nächsten italienischen Stadt. Es fliessen die Grenzen zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart. Stehen wir inmitten einer Theaterkulisse oder ist das Wirklichkeit?

Graue Federkugeln sitzen im Gesims der Arkaden. Über den Platz wehen so viele Federn, als hätten die Dogen eine Kissenschlacht inszeniert.
Der abendlich erleuchtete Markusplatz glitzert wie eine Bühne. Einige Touristen wagen Walzerschritte zur Musik des Cafés Florian. Hermann Hesse beschrieb Venedig wie ein mildes, warmes Lied, wie die Verheissung einer Liebesnacht, wie ein tiefer Klang voll schwelgerischer Schönheit und leiser, zart genossener Melancholie. Der Mond schwebt über den Kuppeln der Markuskirche wie ein Zeichen des Orients. Der „schönste Festsaal Europas“, wie Napoleon ihn taufte, angefüllt mit Pfützen poetischer Ergriffenheit. Herrscht er noch heute über die Stadt?

Sonntag, 15. Juni 2008

150608/Marion Starke/Aqua de Venezia


Aqua de Venezia

Weich küsst die Lagune
der weiße Mond.

Venezia ruht.
Das Wasser schimmert.
Ihr Schatten flimmert
in seiner Flut.

Im Algenmeer ein Flüstern wohnt.
Serenissimas Gesang.
Ihr Schleier seicht erklang
im Himmel trohnt.

Mittwoch, 11. Juni 2008

230508/ Handout/ Marion Starke/ Tintoretto

Tintoretto

BIOGRAFIE (1518-1594):

1518 Jacopo Robusti wurde am 29. September 1518 in Venedig geboren. Der Namen Jacopo Tintoretto wurde ihm nach dem Beruf seines Vaters il tintoretto („das Färberlein“) gegeben.

Er lebte und arbeitet ausschließlich in Venedig

1550 Tintoretto heiratet Faustina Episcopi (Tochter des Hauptverwalters der Scuola di San Marco), zusammen haben Sie fünf Kinder, darunter vier MalerInnen

1565 Aufnahme in die Bruderschaft San Rocco

1594 † 31. Mai 1594, bestattet in Santa Maria dell' Orto



Die Vorbildwirkungen, die von Tizians Farbe und Michelangelos Zeichnung ausgingen, verband er mit weiteren manieristischen Einflüssen und entwickelte rhythmisch bewegte Kompositionen, die durch große Tiefenwirkung mit jähen Verkürzungen einerseits und flächenhafter Gebundenheit andererseits eine spannungsvolle Gesamtwirkung ergeben. Eine raffinierte Beleuchtungsregie und ein dynamisch-schneller Pinselduktus verwandelten v. a. in seiner Spätzeit die biblischen Szenen in erregende Lichtvisionen. Höhepunkt seines Schaffens sind die seit 1564 für die Scuola di San Rocco in Venedig gemalten Wand- und Deckengemälde mit Szenen aus dem Alten und Neuen Testament.

--> „Von Michelangelo die Zeichnung, von Tizian die Farbe“
--> Manierismus
--> Einfluss auf den Barock

Typischen Kennzeichen seiner Malerei:
ungewöhnliche Perspektiven
dramatische Lichtvisionen
Lichteffekte, (farbige Schatten, schimmernde Stoffe, glänzendes Gold etc.)
Rhythmische Komposition
große Tiefenwirkung
Farbe als wichtigstes Gestaltungselement
Dekorativität: sehr feine, sorgfältige und detaillierte Ausgestaltung von Gesichtern, Haaren und Stoffen
Beschäftigung mit mystischen Themen
dynamische Kompositionen und dramatische Szenener Figuren (im Wettstreit der Malerei mit der Bildhauerei, dem Paragone), Betonung der Körperlichkeit
Sinnlichkeit, kraftvolle Gestalten, hohe Plastizität
dynamisch-schneller Pinselduktus, vor allem im Spätwerk
“manieristischer Expressionismus”


Nachwirkung:
Tintorettos Neigung zu diagonalen Figurenkompositionen, die in den Tiefenraum des Bildes reichen, die Dramatik seiner Lichtgebung und die Dynamik und der Überschwang seines Stiles fanden besonders bei den frühen Barockkünstlern Bewunderer und Nachahmer, so z.B. bei dem flämischen Maler Peter Paul Rubens. Seine schriftlich verfassten Ansichten zu Form und Licht, die er bereits in seinem eigenen Spätwerk beinahe stereotyp befolgte, erstarrten bei den jüngeren Künstlern in Venedig zu leeren, letztlich auch unausweichlichen Formeln. Sein Sohn Domenico Tintoretto (* 1560, † 1637) führte die Werkstatt fort.
Der bedeutendste Vertreter des Spätmanierismus in Spanien war El Greco, ein Schüler Tintorettos.

Tintoretto sei das außergewöhnlichste Genie, das die Malerei jemals hervorgebracht habe, schrieb 1568 Giorgio Vasari über den Venezianer.



Quellenverzeichnis:
Hetzer, Theodor: Venezianische Malerei : von ihren Anfängen bis zum Tode Tintorettos, Stuttgart: Urachhaus, 1985.
Huse, Norbert: Venedig: die Kunst der Renaissance; Architektur, Skulptur, Malerei 1460 – 1590, München: Beck, 1986.
Mocanu, Virgil: Tintoretto, Bayreuth: Gondrom Verlag, 1978.
Romanelli, Giandomenico (Hrsg.): Venedig Kunst und Architektur
Sciré Nepi, Giovanna: Malerei in Venedig, München: Hirmer Verlag, 2003.
Willmes, Ullrich: Studien zur Scuola di San Rocco in Venedig, München: Scaneg Verlag, 1985.

120608/Piccolo Mondo/Marion Starke

Venedigs Pegel ist überschritten.
Zwei Uhr früh. Der Geruch von spanischen Filterzigaretten steigt mir in die Nase. Fortuna. Kay ist hinter mir. Ich klingel an der Tür des Piccolo Mondo. Ein Schwarzer Ende 20 und ein italienisch gebräunter Türsteher Mitte 30 im schwarzen Anzug, frisch rasiert, ein Hauch von Moschus. Beide sind sehr charmant-elegant – wie die Türsteher der Hamburger Nobelbar „Indochine“. Nach südländischen Feilschaktionen treten wir in die Disco der alten Republik. Das Interieur erinnert an eine Shishabar: klein, beengt, byzantinisches Ambiente. Die Tanzfläche ist leer. Die ungarische Barkeeperin mixt uns Pina Coladas. Kein Obst, keine Sahne, kein Schirmchen.

Der Musikgeschmack ist 'de gustibus' - wie ein Italiener (mit Latinum in der Tasche) mir erklärt. Der ca. 58-jährige italienische DJ im rosa-türkisem Hawaiihemd und mit Pornobrille (blau verspiegelt) trägt Schweißperlen auf seinen polierten Geheimratsecken. Er ist im Besitz von ca. 2.000 MP3-Dateien ungeklärter Herkunft und von 500 als "geklaut" eingestuften Videoclips. Die Federazione dell'industria musicale italiana (FIMI), also der Verband der italienischen Musikindustrie, sollte auch hier die Finanzpolizei zur Ace of Base-Razzia ansetzen.

Immer mehr California Girlz in Minirock und High Heels wippen ihre Booties im Takt zu Captain Jack. Kay hat Fortuna.
Bierphile Britinnen, Bierbauch-Besitzer (mit weißen Tennissocken) und elegant gekleidete Französinnen scheinen hier nicht im Trend zu liegen. Südeuropa ist von Italo-Lovern besetzt. Ihr bevorzugter Dresscode ist Macho-Mafiosi. Sie sind wie eine eigene Kaste: 350g Gel pro Löckchen, Waigel-Augenbrauen auf der Brust, die aus dem offenen weißen Leinenhemd ragen und einen Kampf mit dem Goldkettchen austragen, das sich in dem öligen Haar verzwirbelt hat.

Umringt von 1,65 m großen durch Proteinshakes selbsternannten Sexbombs bahne ich mir meinen Weg von einer Ecke in die nächste. Überall wird gezupft, gezerrt, berührt, betatscht. Freitanzen, Freilufttanzen. Escape: Exit. Sara und Ashley versuchen italienisches Balzverhalten zu imitieren. Die Türsteher ermahnen uns die Lautstärke einzupegeln.

Die Tanztraditionen reicht wie auch der Musikgeschmack von Timberlakes Lovestoned über Rihannas Umbrella bis hin zu Gasolina-Techno-Beats. Kay sehnt sich nach Britney. Timburi, ein kleiner Russe, der sich aus der Italiener-Elf gelöst hat, nach mir. Mit zuckendem Unterkörper versucht er Kontakt aufzunehmen. Die letzten Abfuhren hat er aufgrund seiner Vorliebe Spirituosen pur zu genießen, nicht reflektieren können.
Um den Abend mit schmalzlockigen Casanovas zu ertragen, verfalle ich in Tanzwut und versuche Kay Salsa beizubringen. Seine Hüften verstehen nur Elektro-Beats.

"Jak si bawi, to si bawi…drzwi wywali potem wstawi" (Wenn du feierst, dann feiere wirklich - mach die Tür kaputt und hinterher wieder heil), gibt uns Micha alias 'Der Heilige' aus Polen mit auf den Weg.
Eines haben alle europäischen Partygänger gemeinsam: dieses traurige Gefühl, wenn man sich bereits wieder auf dem Heimweg befindet. Die amerikanischen Booties verbringen ihre Zeit noch im Oba Kebab am Campo de la carità; wir im Kloster.

Donnerstag, 15. Mai 2008

Ultramarinblau/ Marion Starke/ Ultramarinblau 5

Abend, und die frischen Düfte des Aquamarins kühlen mit himmelblauen Schauern die ozeanfarbene Wasseroberfläche. Die Nacht taucht sprachlos in den tiefblaue See.

Ultramarinblau/ Marion Starke/ Ultramarinblau 4

Ultramarinblau ist Königsblau Ultramarinblau ist keine schüchterne Farbe, sie drängt sich in den Vordergrund. Sie ist die Königin aller Farben.

Ultramarinblau ist Universalblau: Aufgrund ihrer Tiefenwirkung wird man in das Ultramarinblau hineingezogen. Ein unendlich tiefes Universum, das in seiner Anschauung rein und unverfälscht zur Geltung kommt.

Ultramarinblau ist Pfaublau: Im Farbton Ultramarinblau schwingt eine besondere Magie mit.


Es ist nicht dein lieblicher Gesang,
in deinem schimmernden Gewand liegt
der Unendlichkeiten Klang.

Magie schwingt in deinen Federn
in deiner eleganten Pracht,
den lauen Sommerabenden bist du Zier.

Pfau, vertrautes unnahbares Wesen,
zu Recht erhälst du den Namen:
"König der Farbe".

Ultramarinblau/ Marion Starke/ Ultramarinblau 3

Es gibt wundervolles Tiefblau, betörendes Himmelblau, stumpfes Taubenblau und romanisches Kornblumenblau. Ist Tiefblau weniger schön als Himmelblau? Jede Nuance ist bezaubernd, aber nur strahlendes Ultramarinblau ist ein reines Blau, das weder einen Stich in das Violette noch in das Grünliche in sich trägt. Ultramarinblau ist ein farbintensives Pigment. Ein reines, kräftig leuchtendes Blau außer Konkurrenz. Ultramarinblau betont schon mit seinem Namen selbst seinen kraftvollen Charakter. “Ultra” steht für äußerst, extrem und übertrieben. “Marin(e)” leitet sich vom Lateinischen marinus – zum Meer gehörig – ab. Das selbe Gefühl, das der Anblick des Meeres auslöst, macht sich in meinem Bauch bemerkbar, wenn ich die extreme Weite, Tiefe und Kostbarkeit der Farbe Ultramarinblau sehe.

Ultramarinblau/ Marion Starke/ Ultramarinblau 2

Provozierende sozialkritische Texte übertönen das Schlagzeugsolo. Du
verkündest jedem mit arrogantem Ton, dass du Ultraminblau zu 83 %
bedeutender findest als Aquamarinblau. Und alle glauben es dir.

Ultramarinblau/ Marion Starke/ Ultramarinblau 1

"Es ist die Doppelnatur der Farbe, die einerseits als matter Puder stoffliche und haptische Qualität besitzt, doch nach längerer Betrachtung das Materielle in sein Gegenteil auflöst und in unergründliche Tiefe entrückt. Ein solcher Transformationsvorgang bewirkt die Transzendierung dieser Farbe und erklärt ihre Magie.” (aus Gercke 1990, S. 426)

Stadtgerüst/ Marion Starke/ Venedig ist einzigartig für ihre Stadtstruktur.

Venedig ist einzigartig für ihre Stadtstruktur.

Venedig ist eine Lagunenstadt im Nordosten Italiens, die den Beinamen La Serenissima („Die Allerdurchlauchtigste“) trägt. Ihr Ausgangspunkt war eine Gruppe von Inseln im Sumpfgebiet, die die Ablagerungen vieler Flüsse immer weiter in die Adria vorschoben. Ab dem 4. Jahrhundert nach Christus wurden die Schlamm- und Sandablagerungen der Lagune nach und nach zur neuen Lebensgrundlage vieler Menschen. Man hatte entdeckt, dass sich unter den Ablagerungen fester Lehmboden befand und dass es möglich war Millionen von Eichen-, Lärchen- und Ulmenpfählen in den sandigen und schlammigen Untergrund zu rammen. Baumstämme aus dem benachbarten Istrien boten die Grundlage für ein Gitternetz aus Pfählen, auf denen inmitten der Lagune von Venedig hohe Gebäude – dicht an dicht gedrängt – errichtet wurden. So entstand im Laufe der Jahrhunderte die "Königin der Meere" mit zahlreichen Kirchen, Plätzen, Gassen und Wasserstraßen. Alleine der Campanille von San Marco ruht auf schätzungsweise 100.000 Stämmen, die Kirche St. Maria della Salute auf rund 1,1 Millionen.

Erst seit 1933 ist Venedig über den Ponte della Libertá mit dem Festland verbunden. Nahe der Zufahrt zu dieser Verbindung beginnt der wohl bekannteste und befahrenste Kanal Venedigs, der Canal Grande. Er schlängelt sich in Form eines umgedrehten „S“ von Nordwesten bis in den Süden durch die Stadt. Den zahlreichen Inseln wurden verschiedene Aufgaben zugewiesen: so gibt es eine Friedhofsinsel (San Michele) oder eine Insel für die Glasbläser (Murano). Dem Festland oblag die Agrarproduktion, später war es für die industrielle Produktion zuständig.
Heute zählen die zahlreichen Kanäle, die die über 100 Inseln miteinander verbinden und die von jedem Reiseführer empfohlenen Gondelfahrten genauso wie die Stadtstruktur zu den zahlreiche Besonderheiten der Serenissima. Viele kleinere Kanäle durchziehen die Sestieri, die sechs Stadtviertel - Cannaregio im Norden, Santa Croce, San Polo und San Marco (Markusplatz) im Zentrum, Castello im Osten, Dorsoduro im Südwesten - wie ein Netz. Teils sind sie angelegt wie Straßen, teils kann man noch die früheren Inselformen in ihnen erkennen.

Der Stadtkern (castrum) war von agrarischen Siedlungen umgeben. Die Bezeichnung der Plätze als campi (Felder) oder campielli (kleine Felder), die zu jeder Insel dazugehören und einst nicht nur Kommunikationsund Verkehrszentrum, sondern auch Handelszentrum der jeweiligen Insel darstellten, lässt sich somit auf eine landwirtschaftliche Tradition zurückführen. Sogar der Markusplatz war im Jahr 1000 noch ein Nutzgarten. Erst im 12. Jh. nahm er seine heutigen Dimensionen an. Das ehemalige politische und kirchliche Machtzentrum weist eine völlig eigene Struktur innerhalb der Stadtstruktur Venedigs auf. Das Gebiet ist durch die große Piazza und die imposanten öffentlichen Gebäude, allen voran der Dogenpalast und die Prokuratien, aber auch durch Bibliotheken und Museen, der Markuskirche und den Glockenturm geprägt. An dem großem Platz schließt die etwas kürzere Piazetta San Marco an.
Das Verhältnis von Adel, Mittelstand und einfachen Bewohnern spiegelt sich im Baugefüge der Stadt wider. Da gibt es einerseits die Paläste der Adligen, die kleineren Wohnhäuser der Kaufleute, die Gebäude der auswärtigen Händler und zuletzt die ausgedehnten Mietskasernen des Volkes.

Östlich des Markusplatzes erstreckt sich seit dem 12. Jhd. das Arsenal, ein Hafengelände, in dem zur Sicherung des Seehandels Kriegs- und Handelsschiffe gefertigt und ausgerüstet wurden. Der Handel mit Byzanz und dem Osten bescherte den Venezianern im Mittelalter den Höhepunkt ihrer wirtschaftlichen Macht. Der Handel reizvoller Waren wie Gewürze, Lebensmittel, Arznei, Stoffe und anderen orientalische Luxusgüter, der im ökonomischen Zentrum der Stadt, dem Rialto-Viertel, vonstatten ging, war essentiell. Aus kleinsten Anfängen entwickelte sich das Staatsgebilde Venedig zu einem der reichsten Staaten im Mittelalter und in der Renaissanceepoche, durch bedachtes Handeln und Verhandeln:
"Wenn der Warenhandel in Venedig zurückgeht, ist dies, wie wenn einem Kleinkind Milch und Nahrung entzogen werden. Deshalb sehe ich klar den Ruin der Stadt Venedig vor mir, weil der Handel schwindet und das Geld, welches Venedigs Glanz und Ruhm hervorgebracht hat, dahinschmilzt." (Tagebucheintrag von Girolamo Priuli, venezianischer Kaufmann anno 1501)

Heute ist es der Handel mit den Touristen der Venedigs Milch und Nahrung ist.

Informationen/ Marion Starke/ Namensfindung

Die Wurzeln des Stadtgebildes reichen bis in die Zeit der Völkerwanderung zurück. Im Jahr 452 n. Chr. flüchteten die Einwohner Aquileas vor dem Hunnenkönig Attila auf die Inseln, von denen einige bereits durch Bauern und Fischer besiedelt waren. Diese zeigten sich von dem Zustrom an Flüchtlingen nicht sonderlich begeistert: "Veni etiam" - da kommen immer mehr. Aus "veni etiam" soll sich später "Venedig" gebildet haben.

Sonntag, 11. Mai 2008

Stadtgerüst/ Marion Starke/ Straßen und Plätze

Straßen und Plätze

Neben unzähligen Gassen, Gässchen, Sackgassen, Durchgängen und Uferstreifen, die als calli, salizzade, rughe, liste, rami, sottoporteghi, rii terrà und fondamenta bezeichnet werden, sowie Plätzen (campi) und Plätzchen (campielli) gibt es in Venedig auch eine strada (Strada Nova) und drei vie (Via 25 aprile, Via Vittorio Emanuele und Via Garibaldi) in der Stadt. Nur der Markusplatz wird piazza (Platz) genannt, der Platz mit dem Busbahnhof heißt piazzale Roma. Viele dieser Verkehrswege haben als Namen die Bezeichnung der ehemaligen, dort ansässigen Gewerbe, bzw. Berufsvereinigungen.

CalleDie Straßen haben besondere Namen. Die Hauptstraßen „rughe“ (vom französischen „rue“) und die „salizade“ von „selciate“, d.h. die ersten mit richtigem Pflaster, sind in ihrer Anzahl begrenzt. „Cale“ oder „calle“ werden die engeren Straßen genannt, und „fundamenta“ heißen die Straßen längs der Kanäle, die auch als Fundament für die Bauten dienen. „Lista“ ist das Stück Weg in der Nähe der wichtigen Paläste und der Botschaften, die eine besondere Immunität genossen. Die „Mercerie“ sind die Straßen mit den Geschäften (merce = Ware), die „rive“ (Ufer) verlaufen längs der Seitenkanäle, sind oft auch nur Treppen, die zum Wasser hinunterführen. Die „rii tera“ sind die aufgeschütteten Kanäle, die „rami“ (Zweige) kurze Straßen, die von einer calle oder einem campiello ausgehen. Der „campo“ ist der Platz, an dem eine Kirche steht, ein größerer Freiraum, der früher Gemüsegarten oder Weideland für die Pferde war. „Campiello“ ist der von Häusern umgebene Platz, auf den die calli münden, „corti“ sind die Innenhöfe der Häuser. „Paludo“ erinnert daran, dass diese Gegend früher versumpft war, anstelle der „pissine“ befanden sich Teiche, wo man baden und fischen konnte. Das „sotoportego“ geht unter den Häusern durch und verbindet calli, campielli und corti.

http://www.agriturismiebedandbreakfast.com/italien/Venetien/Venedig.asp