Dienstag, 17. Juni 2008
Handout/Jennifer Fandrich/Venedig-Bilder und Venedig-Deutungen des 19.Jahrhunderts
Venedig-Bilder und Venedig-Deutungen des 19. Jahrhunderts
Der Ausgang / Die Ausgangslage:
Politisch: Der Untergang
1797 verlor die Adelsrepublik durch Napoléon Bonaparte ihre Selbstständigkeit
Oktober 1797 Frankreich überließ die Stadt Österreich im Austausch gegen die Lombardei
1805 erneuter Tausch, Napoleons Armee zog wieder in Venedig ein, Napoleon war inzwischen Kaiser
1815 Wiener Kongreß schlug Venedig wieder den Habsburgern zu
1848/9 demokratischer Aufstand gegen die Österreicher scheitert
1866 Angliederung Venedigs an das Königreich Italiens
Vedutenkunst:
Eine Vedute (italienisch veduta: Ansicht, Aussicht) ist in der Bildenden Kunst die wirklichkeitsgetreue Darstellung einer Landschaft oder eines Stadtbildes. Dem Ziel der realistischen Abbildung sind alle anderen Aspekte bei der Bildgestaltung (Licht und Schatten, Farben, etc.) untergeordnet. Zweck ist es, wichtige Monumente von historischer oder religiöser Bedeutung bzw. besondere Feierlichkeiten (Prozessionen, Erbhuldigungen etc.) zu verewigen.
Wichtigste Vertreter der venezianischen Vedutenkunst:
Antonio Canaletto (1697-1768):
Seine Grundkonzeption richtet sich auf das Monumentale und Dauernde, das Denkmalartige der Serenissima. Er beobachtete als kühl konstatierender Historiker.
Francesco Guardi (1712-1793):
Gedicht steht gegen Bericht (Canalettos). Guardi zeigt das Bewegte, die Lust am Augenblick, Menschenmengen, die sich triebhaft auf den Kanälen, Straßen und Plätzen tummeln. Diese Struktur seiner Einbildungskraft befähigt Guardi, eine neue Dimension der Stadt zu zeigen: er deutet stärker Venezia memore, das abseitige Venedig an. Er malt die Dekadenz Venedigs mit einer skeptische Melancholie.
Goethe (1749-1832):
Formuliert in seinen Tagebüchern vom September 1786, was künftig die gesamteuropäische Venedig-Sicht bestimmen sollte: „Sie (die Markusrepublik) unterliegt der Zeit wie alles was ein erscheinendes Daseyn hat.“
Malerei
Historienmalerei
Eugène Delacroix (1798-1863):
Enthauptung des Dogen Marino Falier (1826, London, Wallace Collection)
Entstand nach Byrons Schauspiel „Marino Falier, Doge of Venice“ (1820)
Francesco Hayez (1791-1882):
Erster, bekannteste und talentierteste romantische Maler von Historienstücken
Stil: melodramatisch und formal geprägt, Gespür für Kompositionen, venezianisch beeinflusster Farbensinn
Europäische Einflüsse:
William Turner (1775-1851):
britischer Maler und führender Vertreter der Romantik; er gehört zu den größten englischen Künstlern. Turner besuchte Venedig erstmals 1819, dann noch einmal in den Jahren 1833,1840.
àTurner feiert nicht die tote Stadt, sondern stellt Venedig als einen magischen Ort dar, um Assoziationen an den ehemaligen Reichtum heraufzubeschwören.
James Abbott McNeill Whistler (1834 -1903):
US-amerikanischer Maler, 1879 reiste Whistler im Auftrag einer Londoner Galerie nach Venedig, wo er zahlreiche Pastelle und Radierungen schuf.
Oscar Wilde über Whistler:
„Ich habe Jimmy Whistler in London oft "en passant" gesehen. Er hat gerade eine zweite Serie von Radierungen über Venedig fertiggestellt - Wassergemälde, wie sie auch die Götter noch nie geschaut haben. Seine Ausstellung wird in vierzehn Tagen in einem gelbweißen Raum eröffnet (vom Meister der Farben ausgestattet) mit einem erstaunlichen Katalog. Das zu malen, was man sieht, ist eine gute Regel in der Kunst, aber zu sehen, was zu malen wert ist, ist besser. Betrachten Sie das Leben unter dem Aspekt des Malers. Es ist besser, in einer Stadt mit veränderlichem Wetter als in einer Stadt mit lieblicher Umgebung zu leben. Nachdem wir gesehen haben, was den Künstler ausmacht und was "der" Künstler macht, nun die Frage, wer ist der Künstler? Unter uns lebt ein Mann, der alle Qualitäten der edelsten Kunst in sich vereint, dessen Werk eine Freude für alle Zeiten und der selbst ein Meister aller Zeiten ist. Dieser Mann ist Whistler.“
Claude Monet (1840-1926):
Monet hielt sich in seinen letzten Lebensjahren zusammen mit seiner Frau in Venedig auf, im Jahr 1908. Es zeigten sich erste Anzeichen seiner Augenerkrankung. Dort malte er nicht nur, sondern studierte in Kirchen und Museen Werke von Künstlern wie Tizian und Paolo Veronese. Monet begann viele Gemälde in Venedig und überarbeitete sie manchmal jahrelang noch im Atelier. Zum Teil beginnt er die Bilder noch einmal von Neuem. Damit spielt die Erinnerung an das Motiv und Empfindung eine größere Rolle ein, als das ursprüngliche Motiv. Seine Werke aus Venedig wurden erneut von den Kritikern lobend aufgenommen. So wurden die Bilder beispielsweise als „farbig schillernde Ferien“ bezeichnet.
Das proletarische und triviale Venedig
Der Hang zum proletarischen Venedig bekundet sich bei Künstlern wie Ettore Tito (La pescheria vecchia a Rialto, (1887) ), Allessandro Milesi (La colazione del gondoliere (1893)), Domenico Bresolin (Casa diroccata (vor 1859)) u.v.m.
Das triviale Venedig wird von Vilhelm Marstrand, einem dänischen Spitzweg, karikiert (Das englische Paar in der Gondel (1854) und findet sich auch in vielen Darstellungen von Hochzeiten und Hochzeitpaaren in den Lagunen, etwa bei Favretto ( In Erwartung des Brautpaares (1879)), oder Milesi (Heirat in Venedig (1897)).
Städtische Entwicklung
Napoleons Beitrag zur Stadtgeschichte besteht zum einen Teil darin, dass er eine Menge von Kunstwerken nach Paris schaffen ließ und die Ordenshäuser auflöste. Städtebaulich ging das Schicksal der Stadt auch einen Schritt in die Moderne: dazu gehörten die weitere Nutzbarmachung und Neugewinnung von Land. . Einer der dramatischten Eingriffe war die Zerstörung des Westendes der Piazza , un dort die Ala Napoleonica zu erbauen, den Napoleanischen Flügel.
Im weiteren Verlauf der Modernisierung:
Erweiterung des Wege- und Straßennetzes (Bau der Strada Nova 1871), Zuschüttung von Kanälen
1846: Bau der Eisenbahn: Personen und Güter kamen einfach und schnell nach Venedig
à Das implizit zugrunde liegende Stadtkonzept war konventionell und eindimensional. Das Verständnis für das höchst komplexe Ganze, das in den Zeiten der Republik mittel-und langfristig in aller Regel doch die Oberhand behalten hatte, gab es nicht mehr. An die Stelle jahrhundertslanger Erfahrung trat eine nicht selten naive Begeisterung für alles, was nur irgendwie neu erschien.
Literatur:
Parallel zur Modernisierung der Stadt entstand ein Venedigbild, das der alltäglichen Wirklichkeit der Stadt eine virtuelle literarische entgegenstellte, die bald die mächtigere werden sollte und schließlich auch auf das tatsächliche Geschehen der Stadt zurückzuwirken begann. Anfangs lagen beide Wirklichkeiten noch nahe zusammen, wie Lord Byrons Dichtungen zeigen:
Lord Byron (1788-1824):
Britischer Dichter, übersiedelte 1816 nach Venedig, in die nun österreichische Provinzstadt. Die Stadt hatte nach dem Abzug der Franzosen politisch, wirtschaftlich und emotional den tiefsten Punkt ihrer Existenz erreicht.
„Ode on Venice“ (1818) beklagt den Untergang Venedigs:
„Oh Venice! Venice! When thy marble walls
Are level with the waters, there shall be
A cry of nations o`er thy sunken halls,
A loud lament along the sweeping sea!”
Während seines Aufenthaltes publizierte er 1816 den dritten und 1818 den vierten Gesang seines Versepos “Child Harold`s Pilgrimage“, die ihn zu einem der gefeiertesten Dichter seiner Zeit machen sollte.
àByrons Venedig war ein literarisches Venedig, die physische und soziale Wirklichkeit der Stadt blendete er aus seiner Dichtung ebenso aus wie die Neuerungen der napoleonischen Zeit.
Franz Grillparzer (1767- 1819):
“Der erste Eindruck war fremd, einengend, unangenehm. Diese morastige Lagune, diese stinkenden Kanäle, der Schmutz und das Geschrei des unverschämten betrügerischen Volkes geben einen verdrießlichen Kontrast mit dem kaum verlassenen heiteren Triest.“
John Ruskin (1819-1900):
englischer Schriftsteller, Maler,Kunsthistoriker und Sozialphilosoph.
„Stones of Venice“ (London, 1851/53) war das einflussreichste Venedigbuch des 19.Jahrhunderts. Für ihn war Venedig zugleich Memento Mori und Denkmal:
„Seit zuerst die Herrschaft des Menschen sich über das Weltmeer geltend machte, sind drei Reiche von höherer Bedeutung als alle anderen an seinen Gestaden errichtet worden:Die Reiche von Tyrus (=Atlantis), Venedig und England. Von der ersten dieser großen Mächte besteht nur die Erinnerung, von der zweiten der Verfall; die dritte, die ihre Größe erbt, kann, wenn sie ihr Beispiel vergisst, durch stolze Erhöhung zu minder beklagten Untergang geführt werden.(…) Ihre Nachfolgerin (=Venedig), die ihr in der Vollkommenheit der Schönheit gleich kam, wenn auch weniger in der Dauer der Herrschaft, ist uns noch geblieben und wir dürfen in der Schlussphase ihres Niederganges betrachten; ein Gepenst am Gestade der See, so schwach – so still - so beraubt allen Besitzes, nur nicht ihrer Lieblichkeit, daß man im Zweifel sein kann, wenn man ihr mattes Abbild in der Spiegelung der Lagune erblickt, welches die Stadt und welches der Schatten ist.“
Er sah seine wesentliche Aufgabe in der systematischen Erforschung der mittelalterlichen Architektur Venedigs. Mit seinem Buch „Seven Lamps of Architecture“ hat Ruskin hat ganze Generationen Wert und Würde des Alterns in der Architektur respektieren lassen, das er als eine Form des Lebens verstand, nicht als eine Vorform des Todes.
Souvenirkarten:
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts lieferte die Schweizer Firma "Photochrom Zürich" (P.Z.) Serien von Andenkenbildern aus den Metropolen Europas, von Landschaften und Ausflugszielen. Während sich die Lagunenmetropole im Untergang befindet und zahlreiche Bewohner ihre Heimat verlassen, lockt der marode Charme Touristen an - und die noch junge Fotografie eröffnet völlig neue Möglichkeiten, den Daheimgebliebenen nun mit Souvenirkarten von der Großartigkeit der eigenen Reise zu berichten.
Montag, 16. Juni 2008
Handout/Katharina Stockmann/Carpaccio
Die venezianischen Scuole
- Entstanden aus der Flagellantenbewegung des 13. Jh.
- Scuole Grandi (um 500 Mitglieder) und Scuole Piccole (50-70 Mitglieder)
- Verbindendes Interessengebiet: Handwerkszünfte, Religionsgemeinschaften, gemeinsame Herkunft usw.
- Aktivitäten: Karikative Aktivitäten, Mäzenatentum, Bau und Ausstattung des Gildehauses bzw. Altars
- Funktion in der Republik: Einbindung und Beteiligung der politisch rechtlosen Bürger, Soziale Absicherung
Scuola di San Giorgio degli Schiavoni
- Schiavoni=Slawen: Dalmatiner aus dem Süden Kroatiens (venezianisches Herrschaftsgebiet)
- 1451: Gründung der Bruderschaft und Bau der ersten Scuola (Schutzheilige Georg, Hieronymus und Triphonius)
- 1502: Erwerb einer Reliquie des hl. Georg, Auftrag an Carpaccio für Gemäldezyklus
- 1797: Sturz der Republik, Schließung aller Scuole durch Napoleon
- 1807: Wiederruf der Enteignung der Scuola di San Giorgio degli Schiavoni – die Scuola besteht bis heute
Vittore Carpaccio
- * um 1465, + 1526 in Venedig
- Wichtigste und beste Arbeiten: Gemäldezyklen für venezianische Scuole:
- 1490-1496: Leben der hl. Ursula in der Scuola der hl. Ursula (heute Accademia)
- 1502-1507: Gemäldezyklus für die Scuola di San Giorgio degli Schiavoni
- 1504-1511: Leben der Muttergottes für die albanische Scuola
- 1511-1520: Leben des hl. Stephan für die Scuola des hl. Stephan
Bilderzyklus in der Scuola di San Giorgio degli Schiavoni
Der hl. Georg bekämpft den Drachen
- hl. Georg: Christlicher Märtyrer, 3. Jh. n. Chr., Legende: Drachentöter
- Komposition: Diagonale von den Hinterfüßen des Drachen über die Lanze Georgs bis zur Prinzessin rechts oben
- Ornamentale Formen, dekorativer Wert der Linie und der Kontur, geometrische Grundformen
- Mögliche Deutung: Georg als Kreuzritter, Drache symbolisiert die Türken
- Verstreute Leichenteile: Memento Mori, Spuren eines Exzesses
Der Triumph des hl. Georg
- Georg bringt den besiegten Drachen in die Stadt und tötet ihn
- Orientalische Formen: Schauplatz der Legende in Selene, Libyen
- Venedig: Drehscheibe des Orienthandels
- Konstantinopelreisen Gentile Bellinis (1479) und evtl. Carpaccios selbst
Der hl. Georg tauft die Ungläubigen
- Statt die Prinzessin zu heiraten tauft Georg das Volk des Königreichs
- Erzählfreude Carpaccios: Schilderung von Details (Turban, Papagei, Windhund), auch mit symbolischer Bedeutung
Das Wunder des hl. Triphonius
- Märtyrer im 3. Jh. n. Chr., angeblich Gänsehirt
- Legende: Befreiung der Tochter des römischen Kaisers Jordan von einem Dämonen
- Triphonius als Kind, Dämon in Gestalt eines Basilisken
- Hintergrund: Venezianische Architektur
Das Gebet im Ölgarten/Die Berufung des hl. Matthäus
- Die beiden ersten Bilder des Zyklus (1502)
Der hl. Hieronymus führt den Löwen in das Kloster
- Hieronymus: * 347 in Stridon/Dalmatien, + 30.9.419 Bethlehem
- Dalmatischer Nationalheiliger, Kirchenvater, Übersetzung der Bibel ins Latein seiner Zeit (Vulgata)
- Legende: Ein Löwe kommt ins Kloster, um sich von Hieronymus einen Dorn aus der Pfote ziehen zu lassen und wird anschließend dessen treuer Gefährte und Attribut
- Kontrast zwischen den schrägen Linien der fliehenden Mönche und der senkrechten Gestalt des Hieronymus
- Farbe: Wiederholung des Blau-Weiß der Kutten im gesamten Bild
- Schauplatz: Kloster in Venedig (Hospiz bei San Giovanni del Tempio)
- Humor Carpaccios: Eher Situationskomik als Satire
Die Beerdigung des hl. Hieronymus
- Klage des Löwen im Hintergrund
- Komposition: Vertikalen und Horizontalen, „rhythmische“ Anordnung der Figuren
- Fehlende Tragik: Carpaccio als distanzierter Regisseur einer Theaterbühne, keine psychologische Wirkung
Die Vision des hl. Augustin
- Nicht Hieronymus sondern Augustin in der Studierstube: Bischofsmitra, Augustinerhabit
- Legende: Während Augustinus einen Brief an den hl. Hieronymus schreibt, erscheint dieser ihm in Lichtgestalt und verkündet seinen Tod
- Licht der Erscheinung fällt in den Raum, auffällig: dreieckige Schatten
- Licht und Fluchtlinien münden auf der schreibenden Hand Augustins
- Innenraum: Saal in einem venezianischen Palazzo des 15. Jh.
- Flämischer Einfluss: Versammlung von Bildern mit symbolischer Bedeutung im Innenraum: Musiknoten (Augustinus „De Musica“), Antike Skulpturen, Armillarsphäre, Altar mit zurückgezogenem Tuch (Auferstehung) etc.
- Mögliche Deutung: Augustinus im Licht der Vernunft, neue Bedeutung der Wissenschaften, humanistische Weltsicht
Handout/ Andrea Palladio/ Svenja Wolff
„Von all den Architekten, die vor unserer Zeit gelebt haben, ist Palladio wahrscheinlich der einflussreichste und bekannteste.“ - Howard Burns
Lebensdaten in Stichworten
●Geboren in Padua am 30. November 1508 als Andrea die Pietro della Gondola
●1521 Lehre als Steinmetz in Padua, Flucht und Übersiedelung nach Vicenca
●Seit 1524 Mitglied der Maurer- und Steinmetzzunft; Arbeit in der Werkstatt Pedemuro in Vicenca. Keine eigenständigen Arbeiten aus dieser Zeit bekannt.
●1534 Hochzeit mit Allegradonna, einer Zimmermannstochter; 5 Kinder
●Erster Mäzen Giangiorgio Trissino: Bringt ihm Architekturtheorie nahe; reist mit ihm nach Rom, gibt ihm den Namen Palladio
●1540 Palladio offiziell als Architekt bezeichnet. Es folgen viele Aufträge zunächst für den Bau von Profanbauten (Villen, Palazzos), sowie Brücken, öffentliche Gebäude und später Sakralbauten.
●ab 1550ern: enge Zusammenarbeit mit Daniele Barbaro
●1554 Veröffentlichung von Schriften über römische Architektur
●1570 erscheinen die Quattro Libri
●19. August 1580 Tod Palladios
Reisen: In seinem Bestreben, die bedeutendsten Bauwerke kennenzulernen, bereist Palladio viele Provinzen Italiens (Tivoli, Palestrina, Albano), Rom, Venedig, die Provence. Er vermisst, zeichnet und katalogisiert überall antike Bauten und ihre Überreste.
Einflüsse auf Palladio durch seine Zeitgenossen
Neben dem Studium der antiken Architektur wird Palladio ebenso stark von der zeitgenössischen Architektur geprägt: Sebastiano Serlio, Giulio Romano, Jacopo Sansovino, Alvise Cornaro, Donato Bramante, Michelangelo u. a.
Als (theoretische) Schlüsselwerke für den werdenden Architekten zählen vor allem das Vitruvs (1. Jh. v. Chr.) und Leon Battista Alberti (1404-1472)
Vitruvs „Zehn Bücher über Architektur“ ist die einzige überlieferte Schrift der Antike solcher Art. Er legt u. a. dar, dass die Tätigkeit des Architekten sich sowohl aus Handwerk als auch aus geistiger Arbeit zusammensetzt und sieht ihn somit als Künstler.
Alberti unternimmt mit seinem Buch „De re aedificatoria“ 1452 den Versuch, antikes Wissen um die Baukunst auf die Gegenwart zu übertragen. Er erfasste Wert und Wirkung der Architektur als Gehäuse, in dem sich soziales und religiöses Leben abspielten.
Palladios Mäzene
In der Renaissance fand das Mäzenatentum Eingang in die bürgerlichen Kreise. Durch die wirtschaftliche Entwicklung Italiens und den Handel seit Anfang des 15. Jh. entsteht eine wohlhabende Gesellschaft, die die Grundvoraussetzung für die Hinwendung zum Weltlichen und zur Wissenschaft der Renaissance bildet.
Architektur wird in dieser Zeit eng mit Machtansprüchen, Reichtum und Prestige verbunden und war ein Mittel, die Lebensweise und -qualität des öffentlichen und privaten Lebens zu formen.
Giangiorgio Trissino: Die Begegnung mit und Förderung durch den adeligen Dichter und Humanisten aus Vicenca war bedeutete die entscheidende Wende in Palladios beruflicher Entwicklung. Ohne Trissino hätte der damalige Handwerker niemals die kulturellen und intellektuellen Grundlagen erlangt, die Voraussetzung für sein Schaffen als Architekt waren. Durch Trissino lernte Palladio u.a. die antike und zeitgenössische römische Architektur kennen und die Schriften Vitruvs. Er spielte sicherlich auch eine entscheidende Rolle bei der Auftraggebung und Weiterempfehlung.
Daniele Barbaro: Der venezianische Patrizier arbeitet an einer neuen Übersetzung Vitruvs. Palladio illustriert und kommentiert die Übersetzung. Die enge Zusammenarbeit und das intensive Studium Vitruvs trägt zur Ausformung Palladios Architektursprache bei und gibt ihm Anregungen zu bestimmten Motiven (u.a. Tempelfront der Villen; zwei Stockwerke umfassende kolossale Säulenordnung)
Historischer Kontext
Die Renaissance
●1400-1600. Erstmals seit der Antike orientiert sich die Kunst am Naturvorbild (jedoch idealisiert). Formenwelt der Antike gilt hierbei als Vorbild
●das Streben, die diesseitige Realität zu erfassen
●“Die Entdeckung der Welt und des Menschen“: Von einem theozentrischen zu einem anthropozentrischem Weltbild. Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit.
●Beeinflussung durch naturwissenschaftliche Erkenntnisse und Entdeckungen
●Die Künstler versuchten, analog zur Wissenschaft, auch die Gesetze der Kunst zu erkennen und in Kunsttheorien zusammenzufassen
●Es wurde ein Monumentalstil geprägt, der auf antike Säulenordnungen zurückgriff und sie als Kolossalordnung über mehrere Geschosse ausbildete
●Nicht die Übernahme antikisierender Einzelformen, sondern die am Menschen orientierten Maßverhältnisse und Proportionen sind hier das Wesentliche
Der Veneto im 16. Jahrhundert
● 1509-1516 Krieg gegen die Liga von Cambrai. Festlandverluste Venedigs.
Seuchen, Hungersnöte. Wirtschaftliche Zerstörung des Veneto, Folgen bis in die 20er Jahre hinein spürbar. Zurückeroberungen Venedigs auf dem Festland.
●Folge: ab den 1530er Jahren starke Förderung des Aufbaus einer eigenen Landwirtschaft (Streben nach wirtschaftl. Unabhängigkeit). Bau vieler Wohnsitze der neuen Landbesitzer war vonnöten.
Palladios Werk
Die „Quattro Libri“ – die vier Bücher der Architektur (1570)
Diese Schriften machten Palladio schon zu Lebzeiten rasch über die Grenzen seines Landes hinaus bekannt. Sie waren die erste so umfangreiche theoretische Grundlage, durch die sich in den folgenden Jahrhunderten die „palladianische“ Bewegung in der ganzen Welt verbreitete.
Palladio legt in seinen vier Büchern Regeln für Ordnungen, Raummaße, Treppen und Detailentwürfe fest. Er orientiert sich stark an Vitruv; setzt seine eigenen Studien der antiken Baukunst (in Theorie und praktischer Ausführung) jedoch in Verbindung mit der gegenwärtigen Baupraxis und entwickelt schließlich eine Systematik von miteinander in Beziehung zu setzender Elemente, die in ihrer Komposition durchgehend bestimmten Proportionen und Ordnungen folgen.
Buch I: Abhandlung über Vorgehensweise, Materialien und einzelnen Elementen eines Gebäudes
Buch II und III: eine Art Retrospektive seiner eigenen entwürfe von Stadtpalästen, Villen, öffentlichen Gebäuden und Brücken
Buch IV: Beschreibung römischer Tempel, die er eingehend studiert hatte
Palladianische Merkmale im Baustil
Drei wesentliche Dinge, die beim Bau beachtet werden sollten: 1) der Nutzen oder die Annehmlichkeit, 2) die Dauerhaftigkeit und 3) die Schönheit
„Schönheit entspringt der schönen Form und der Entsprechung des Ganzen mit den Einzelteilen, wie der Entsprechung der Teile untereinander und dieser wieder zum Ganzen, so dass das Gebäude wie ein einheitlicher und vollkommener Körper erscheint. Entspricht doch ein Teil dem anderen und sind doch alle Teile unabdingbar notwendig, um das zu erreichen, was man gewollt hat.“ - Palladio
„Dem aufmerksamen Beobachter wird der Unterschied zwischen dem palladianischen Architektursystem, in dem Struktur und Ornament, Funktion und Aussehen engstens miteinander verbunden sind, und dem Wunsch eines Konditors klar, der seine Torte mit einem noch dickeren Zuckerguss verzieren möchte.“ - Howard Burns
Die Bedeutung und Wirkung Palladios
Was unterschied Palladio von seinen Zeitgenossen und was machte ihn über Jahrhunderte hinaus so bedeutsam? Palladio hatte sich ab den 1550ern ein einheitliches Repertoire an Typen, Räumen und Formen für die Ordnungen erarbeitet. Er entwickelte eine eigene Systematik - eine „Grammatik aus Formen und Proportionen und ein geregeltes Vokabular an Motiven“ - die auf dem Zusammenspiel von sorgfältig bestimmten Elementen fußte und sich in ihren Proportionen an der Natur und den Gegebenheiten der Materialien orientierte.
Sein Einfluss beruht nicht nur auf seiner rationalen Architektur und klaren Formensprache, sondern auch auf dem Wert seiner Schriften.
Mittwoch, 11. Juni 2008
230508/ Handout/ Marion Starke/ Tintoretto
BIOGRAFIE (1518-1594):
1518 Jacopo Robusti wurde am 29. September 1518 in Venedig geboren. Der Namen Jacopo Tintoretto wurde ihm nach dem Beruf seines Vaters il tintoretto („das Färberlein“) gegeben.
Er lebte und arbeitet ausschließlich in Venedig
1550 Tintoretto heiratet Faustina Episcopi (Tochter des Hauptverwalters der Scuola di San Marco), zusammen haben Sie fünf Kinder, darunter vier MalerInnen
1565 Aufnahme in die Bruderschaft San Rocco
1594 † 31. Mai 1594, bestattet in Santa Maria dell' Orto
Die Vorbildwirkungen, die von Tizians Farbe und Michelangelos Zeichnung ausgingen, verband er mit weiteren manieristischen Einflüssen und entwickelte rhythmisch bewegte Kompositionen, die durch große Tiefenwirkung mit jähen Verkürzungen einerseits und flächenhafter Gebundenheit andererseits eine spannungsvolle Gesamtwirkung ergeben. Eine raffinierte Beleuchtungsregie und ein dynamisch-schneller Pinselduktus verwandelten v. a. in seiner Spätzeit die biblischen Szenen in erregende Lichtvisionen. Höhepunkt seines Schaffens sind die seit 1564 für die Scuola di San Rocco in Venedig gemalten Wand- und Deckengemälde mit Szenen aus dem Alten und Neuen Testament.
--> „Von Michelangelo die Zeichnung, von Tizian die Farbe“
--> Manierismus
--> Einfluss auf den Barock
Typischen Kennzeichen seiner Malerei:
ungewöhnliche Perspektiven
dramatische Lichtvisionen
Lichteffekte, (farbige Schatten, schimmernde Stoffe, glänzendes Gold etc.)
Rhythmische Komposition
große Tiefenwirkung
Farbe als wichtigstes Gestaltungselement
Dekorativität: sehr feine, sorgfältige und detaillierte Ausgestaltung von Gesichtern, Haaren und Stoffen
Beschäftigung mit mystischen Themen
dynamische Kompositionen und dramatische Szenener Figuren (im Wettstreit der Malerei mit der Bildhauerei, dem Paragone), Betonung der Körperlichkeit
Sinnlichkeit, kraftvolle Gestalten, hohe Plastizität
dynamisch-schneller Pinselduktus, vor allem im Spätwerk
“manieristischer Expressionismus”
Nachwirkung:
Tintorettos Neigung zu diagonalen Figurenkompositionen, die in den Tiefenraum des Bildes reichen, die Dramatik seiner Lichtgebung und die Dynamik und der Überschwang seines Stiles fanden besonders bei den frühen Barockkünstlern Bewunderer und Nachahmer, so z.B. bei dem flämischen Maler Peter Paul Rubens. Seine schriftlich verfassten Ansichten zu Form und Licht, die er bereits in seinem eigenen Spätwerk beinahe stereotyp befolgte, erstarrten bei den jüngeren Künstlern in Venedig zu leeren, letztlich auch unausweichlichen Formeln. Sein Sohn Domenico Tintoretto (* 1560, † 1637) führte die Werkstatt fort.
Der bedeutendste Vertreter des Spätmanierismus in Spanien war El Greco, ein Schüler Tintorettos.
Tintoretto sei das außergewöhnlichste Genie, das die Malerei jemals hervorgebracht habe, schrieb 1568 Giorgio Vasari über den Venezianer.
Quellenverzeichnis:
Hetzer, Theodor: Venezianische Malerei : von ihren Anfängen bis zum Tode Tintorettos, Stuttgart: Urachhaus, 1985.
Huse, Norbert: Venedig: die Kunst der Renaissance; Architektur, Skulptur, Malerei 1460 – 1590, München: Beck, 1986.
Mocanu, Virgil: Tintoretto, Bayreuth: Gondrom Verlag, 1978.
Romanelli, Giandomenico (Hrsg.): Venedig Kunst und Architektur
Sciré Nepi, Giovanna: Malerei in Venedig, München: Hirmer Verlag, 2003.
Willmes, Ullrich: Studien zur Scuola di San Rocco in Venedig, München: Scaneg Verlag, 1985.
Dienstag, 20. Mai 2008
Janina Rohlik/ Der Dogenpalast/ Palazzo Ducale
In den 70er Jahren des 12. Jahrhunderts entstand unter dem Dogen Sebastiano Ziani der erste ganz aus Stein erbaute Palast, der später jedoch wieder abgerissen wurde.
Weil ein neues Versammlungsgebäude für den Maggior Consiglio nötig wurde, entstand seit Mitte des 14. Jahrhunderts der Dogenpalast in seiner heutigen Gestalt. So war der Sala del Maggior Consiglio auch bestimmend für Gestalt und Ausrichtung des Dogenpalastes.
Bereits im 9. Jahrhundert befand sich der erste Dogensitz an heutiger Stelle, allerdings haben wir kaum eine Vorstellung von dessen Gestalt, da er mehrmals niederbrannte.
So folgte eine über Jahrhunderte dauernde Baugeschichte
Die letzte Bauphase wurde im 16. Jahrhundert abgeschlossen.
Der Gebäudekomplex ist dreiflügelig und gruppiert sich um einen Innenhof, der durch die Verbindung zur S. Markus-Kirche im Norden ganz umschlossen wird.
Der repräsentative Eingang ist die Porta della Carta, Symbol für die geistig-politische Symbiose die hier im Dogenpalast Form annimmt.
Im Palazzo Ducale sind öffentliche und private Baukunst vereint, die Architektur verfolgt stets funktionelle sowie ideelle Ziele. So war der Palazzo nicht nur der Sitz der wichtigsten administrativen und regierenden Instanzen, sondern immer auch Symbol für die Macht, Herrlichkeit und Eigenart des venezianischen Staates.
In der Architektur des Gebäudes finden sich viele orientalische Anklänge, die einerseits darauf verweisen, dass Venedig wichtige Handelsmacht in fernen Landen war und andererseits eine Metaphorik zum biblischen König Salomo und dessen Palast bilden.
Sehr oft finden wir im Palastbau den Markuslöwen, Wahrzeichen der Stadt, sowie Justitia und die personifizierten Tugenden, die für das Selbstbild des venezianischen Staates stehen.
Biblische Motive haben im Palastbau genauso Platz wie mythische. Und inmitten der symbolträchtigen Architektur und der bildreichen Ausschmückungen treffen wir immer wieder auf Venezia, die in den Bildthematiken meist erhöht wird.
Interessanterweise fällt diese so stark inszenierte Selbstdarstellung des venezianischen Reiches in eine Zeit, zu der Venedig schon den Zenit seiner Macht überschritten hatte und zeigt somit eine verklärte Sichtweise.
Es ist aber auch wichtig, im Blick zu behalten, dass sich in der hier dargestellten Venezia weniger ein politisches Alltagsgeschehen als vielmehr die Idee von einem höheren Staatswesen spiegelt: Es geht um das Venedig, das zur Realität gewordene Utopie ist.
So ist der Palazzo Ducale nicht zuletzt auch als Symbol der ganzen Stadt zu begreifen.
Sonntag, 18. Mai 2008
Handout Hallenkirchen/ Sina Bengsch/ Handout Hallenkirchen
Dozentin: Dr. Dorothea Ritter
Referentin: Sina Bengsch
Thema: Hallenkirchen in Venedig
Hallenkirchen:
Eine Hallenkirche ist eine Kirche, die durch ihr Langhaus gekennzeichnet ist. Die Kirchenschiffe haben eine gleiche oder annähernd gleiche Höhe und sind meistens unter einem gemeinsamen Satteldach vereinigt.
Santa Maria Gloriosa dei Frari:
- Klosterkirche des Bettelordens der Franziskaner
- Bau der Kirche um 1330
- hat den zweithöchsten Glockenturm in Venedig
- die Innenausstattung ist am besten erhalten
- enge Beziehung zwischen Franziskanerorden und Staat
wichtige Kunstwerke in der Frari-Kirche:
- Triptychon mit der Trohnenden Madonna mit dem Kind und zwei musizierenden Engeln zwischen den Heiligen Nikolaus, Petrus, Markus und Benedikt ist von Giovanni Bellini aus dem Jahr 1488.
- „Assunta“ wurde von Tizian im Jahr 1518 für den Hochaltar der Frari-Kirche geschaffen. Das Bild ist in drei Zonen, die übereinander liegen, aufgebaut.
- „Pesaro-Madonna“ ist ebenfalls ein Werk von Tizian. Es entstand nach der „Assunta“ zwischen 1519 und 1526. Bei diesem Altarbild verschmilzt das religiöse Andachtsbild mit dem Typ des Gruppenporträts.
Santi Giovanni e Paolo
- Klosterkirche des Bettelordens der Dominikaner
- mit dem Bau der Kirche wurde noch im 13. Jh. angefangen
- Länge der Kirche beträgt 101,5 m und die Höhe 36m
- nach San Marco wurde Santi Giovanni e Paolo zur beliebtesten Grablege der Staatsoberhäupter (27 Dogengrabmäler)
bedeutende Grabdenkmäler:
- Grabmal des Dogen Marco Corner (gest.1368)
- Grabmal des Dogen Pietro Mocenigos
- Grabmal des Dogen Andrea Vendramin (gest.1478)
wichtiges Kunstwerk:
-Das Polyptychon des heiligen Vinzenz Ferrer wurde nach einiger Diskussion Giovanni Bellini zugeschrieben.
Freitag, 16. Mai 2008
Handout/Juliane Link/ Tizian
Venedig
Juliane Link
Referat am 16.05.2008
Tizian
Biographie
Um 1490 wurde Tizian Vecellio in Cadore geboren und kam als etwa 10-Jähriger mit seinem Bruder nach Venedig, um dort das Malerhandwerk zu lernen. Er ging zuerst bei Sebastiano Zuccato in die Lehre, später bei Giovanni Bellini.
1508 arbeitete er mit Giorgione zusammen und erneuerte die Fassade des Fondaco dei Tedeschi. Die Fresken waren ein großer Erfolg und machten den jungen Tizian in Venedig bekannt. Wenige Jahre später wurde er von der Serenissima in den Dienst genommen, für die er vor allem repräsentative Portraits der Dogen anfertigte und erhielt als Gegenleistung ein Maklerpatent.
1518 entstand die berühmte Assunta, der weitere Altarbilder in venezianischen Kirchen folgten.
1532 portraitierte er Kaiser Karl V. und wurde 1533 zu dessen Hofmaler ernannt und zum Ritter geschlagen.
1542 folgte er dem Ruf des Papstes Paul III. nach Rom,
1548 dem Ruf Karl V. nach Augsburg, wo er 2 Jahre später auch das Portrait des spanischen Königs Philipps II. fertigte, der ihn fortan vor allem Gemälde mit mythologischen Themen beauftragte. Innerhalb weniger Jahre war Tizian zu einem der berühmtesten Maler seiner Zeit aufgestiegen.
Am 27. August 1576 verstarb er in hohem Alter während einer Pestepidemie in Venedig und wurde in der Kirche Santa Maria dei Frari beigesetzt.
Malweise
- Farbe als wichtigstes Gestaltungselement
- sehr feine, sorgfältige und detaillierte Ausgestaltung von Gesichtern, Haaren und Stoffen
- Lichteffekte, (farbige Schatten, schimmernde Stoffe, glänzendes Gold etc.)
- Fleckenmalerei (beeinflusste El Greco, Velázquez, Rubens und Rembrandt)
- dynamische Kompositionen und dramatische Szenen
- Sinnlichkeit, kraftvolle Gestalten, hohe Plastizität der Figuren (im Wettstreit der Malerei mit der Bildhauerei, dem Paragone), Betonung der Körperlichkeit
Altersstil
- non finito (ital. „unvollendet, eigentlich wird der Begriff im Zusammenhang mit Skulpturen gebraucht, die nicht völlig ausgearbeitet sind), Charakter des Unfertigen
- sprezzatura, (eigentlich Fähigkeit anstrengende Taten leicht, mühelos, lässig erscheinen zu lassen) skizzenhafte Flüchtigkeit, lockerer Duktus
- freier Umgang mit der Farbe, dunkle Farbpalette
- Tizians Spätstil wurde aufgegriffen und weiterverarbeitet von Jacopo Tintoretto, Jacopo Bassano und Paolo Veronese
Mittwoch, 7. Mai 2008
Handout/ Henrike Terheyden/ Sacra Conversazione
„Sacra Conversazione“ bedeutet „heilige Konversation/ Unterhaltung“. Bei dieser Unterhaltung geht es um eine verinnerlichte, transzendentale Unterhaltung mit dem Göttlichen, der Religiosität und dem Erhabenen. Die Andacht steht im Vordergrund.
In Venedig hat sich um 1475 eine ganz eigene Form der Sacra Conversazione entwickelt. Sie integriert die Architektur der Umgebung des Bildes in die Malerei. Der Kirchenraum (es handelt sich in den ersten Werken dieses Typus um Altarbilder in den Seitenschiffen) wird illusorisch durch gemalte Apsiden erweitert, in denen die Gottesmutter mit dem Jesuskind und eine variierende Zahl von Heiligen sich aufhalten. Damit wird nicht nur der Bildraum, sondern auch die Erhabenheit und der Bezug zur Betrachterin in die Diesseitigkeit gehoben.
Formale Kennzeichen für die Sacra Conversazione der venezianischen Anfänge sind der gemeinsame, stark symmetrisch aufgebaute Bildraum, in dem sich die Personen aufhalten, die Integration der Architektur, die andächtige Stille und die Untersicht.
Wichtige Vertreter für die Entwicklung dieses Bildtypus sind Giovanni Bellini, Piero della Francesca und Antonella da Messina. Zwei der potentiellen „Gründungswerke“ (G. Bellinis Zanipolo Altar und Antonello da Messinas Pala di San Cassiano) sind entweder verbrannt (Bellini) oder nur noch in Stücken vorhanden (Antonello), Umstände die es schwer machen, der Entwicklung der Sacra Conversazione einen Geburtstermin zu geben.
Die meisten Bilder dieses Typus waren Auftragsbilder. Von den Auftraggebern hing oft auch die Auswahl der abgebildeten Heiligen ab, sie fungieren repräsentativ als Mittler zwischen Gläubigen und der Mutter Gottes und dem Jesusknaben. Man kann die Innerlichkeit von manchen Petrus- Darstellungen als Aufforderung an das Pontifikat lesen, sich von der verstärkten Säkularisierung abzuwenden und den Grund für seine Macht (Gottes Gesandter) auf religiöse Weise zu veräußerlichen. Diese Aufforderung geschah keineswegs nur aus selbstlosen, religiösen Motiven. Papst Julius II versuchte den Arm des Kirchenstaates nach den venezianischen Besitzungen in Romagna zu strecken.
Literaturangaben:
Huse, Wolters, „Venedig, Die Kunst der Renaissance“, C.H. Beck Verlag, München, 1986, S. 256 ff.
Otto Pächt „Venezianische Malerei des 15. Jahrhunderts“, Prestel Verlag, 2002 (heraussgegeben), S. 208 ff.
Hans Albert Peters, „Giovanni Bellini oder Antonello da Messina?“, Inaugural-Dissertation, Bonn, 1981
Anchise Tempertini, „Giovanni Bellini“, Hirmer Verlag, München, 1998
Norbert Schneider, „Venezianische Malerei der Frührenaissance“, Primus Verlag, Darmstadt, 2002, S. 85 ff.