Donnerstag, 15. Mai 2008

Vorstellung/ Svenja Wolff/ Erste Assoziationen

Das erste, was mir in den Sinn kommt, wenn ich an Venedig denke, ist Wasser. Das ist wohl nicht so weit her geholt. Ich denke an moosig grünes Wasser, an Nebel und an Pfützen.

Ich habe diese vage Kindheitserinnerung. Als ich ungefähr 6 Jahre alt war, machten meine Eltern mit mir und meinen Schwestern von Österreich aus einen Tagesausflug nach Venedig. Wir sind Gondel gefahren. Ich sehe noch vor mir, wie die Gemäuer, dort, wo sie in den engen Gassen auf das Wasser trafen, Moos ansetzten.

Das zweite, was mir lebhaft in Erinnerung ist, ist eine riesige Piazza mit den größten Pfützen, die ich je gesehen hatte, und Unmengen von Tauben. Was gäbe es Spannenderes für ein sechsjähriges Kind! Meine Schwestern und ich sprangen durch die kleinen Seen, spritzten herum und jagten grau gefiederte Schwärme, die sich kaum bequemten, hinfort zu fliegen.

Das letzte, was mir in Erinnerung geblieben ist, steht heute noch im Hause meiner Eltern auf einem Regal, ganz oben, ganz verstaubt. Es handelt sich um die damaligen Objekte unserer Begierde, die unsere Eltern uns nach einigem Quengeln gütigerweise kauften: kleine bunte Tierchen aus Glas. Ich hatte 7 kleine Kraken, eine ist auf der Heimreise kaputt gegangen.
Dies ist mein persönliches Bild von Venedig. Ein verblasstes, löcheriges und doch zauberhaftes.

Andere Menschen hörte ich meistens folgendes über Venedig sagen: Dass die Gondelfahrten unbezahlbar teuer geworden sind. Dass die Stadt irgendwann im Meer versinken wird. Dass sie märchenhaft schön ist, doch wenn man genauer hinschaue, sei sie ganz schön gammelig. Entspricht das dem allgemeinen Bild von Venedig? Ich hoffe nicht.

Was ich mir heute vorstelle, wenn ich an Venedig denke - meine Wunschvorstellung gewissermaßen - sind enge Gassen, in denen man verloren geht und in denen man an jeder Ecke auf etwas Unverhofftes stoßen kann. Auf kleine altertümliche Schätze -alte Fresken oder Reliefs in den Gemäuern zum Beispiel, oder ein altes Weib, das vor seiner Haustür sitzt und den Morgen genießt, verwitternde Skulpturen oder eine von außen kaum ersichtliche Kapelle. Alles ist ein bisschen abgenutzt. Ich stelle mir kleine Cafes vor, mit rotweiß karierten Tischdecken und gutem Espresso. Boote und Gondeln, und wie ich die Füße vom Kai aus ins Wasser baumeln lassen kann. Doch je mehr ich darüber nachdenke, umso mehr komme ich mir wie ein romantisierender Tourist vor, umso ferner wird mir die Stadt.

Die Kunst? Wo bleibt die Kunst in meiner Vorstellung? Noch ist sie kaum existent, denn als Kind habe ich sie nicht wahrgenommen. Mir kommen byzantinische Mosaike in den Kopf, kolossale Renaissancebauten, riesige Basilika, mit orientalischen Einflüssen. Malereien mit Fluchtpunktperspekive, Säle und Tempel, akribische Stofflichkeit im Faltenwurf der Gewänder anmutender Gestalten.

Die Gemälde und Bauten - ich kenne sie nur aus Büchern; sie lassen in mir ein Bild von längst vergangenem Reichtum und Blüte entstehen, die auch heute noch glänzen und schimmern, in einer ansonsten moosig grünen, abgenutzten, alten Stadt.

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