Montag, 12. Mai 2008

Stadtgerüst/ Hanna Breinlinger/ Klappergerippe

Hanna Breinlinger (Mai 08)


Klappergerippe (zur Stadtstruktur Venedigs)


„Venedig ist ein Fisch“, behauptet der außergewöhnliche Reiseführer von Tiziano Scarpa.
Und das Cover-Bild beweist: der Stadtkern von Venedig hat die Form eines Fisches: der Bahnhof im Nord-Westen könnte das Auge darstellen, mit der angedeuteten Bahnverbindung aufs Festland als Wimper, bei den Arsenale im Osten beginnt der Schwanz, die große Kurve des Canal Grande deutet eine Flosse an, und das südlich vorgelagerte Giudecca ist sein weit geöffneter Schlund.
Wenn Venedig ein Fisch wäre, dann kein Tiefsee-Fisch, sondern einer, der in seichter Küstennähe, in der „Laguna Veneta“, vor sich hindümpelt.
Venedig dümpelt nicht nur, es verwest. Aber ohne Fischgeruch - denn Venedig ist kein Fisch, sondern ein Konstrukt aus Stock & Stein, das vom Wasser langsam zerfressen wird.
Dieser Fisch ist an die 1500 Jahre alt. Ab dem 4. Jahrhundert nach Christus begann er von Menschenhand zu wachsen. Nach & nach wurden die kleinen Schlamm- & Sandinseln der Lagune mit Baumstämmen aus dem nahen Istrien durchbohrt und fanden Halt in dem sich darunter befindenden Lehmboden. Auf dieses Gitter von Stämmen baute man Fundamente & darauf dann das Mauerwerk. So entstanden im Laufe der Jahrhunderte sechs Stadtteile mit zahlreichen Kirchen und Palazzi, Plätzen & Gassen. Politisches und kirchliches Herzstück der Stadt war der Markusplatz, an dem der Dogenpalast und die Markuskirche liegen, und in dieser wiederum die Gebeine des Heiligen Markus - angeblich. Östlich des Markusplatzes liegen die Arsenale, ein weitläufiges Hafengebiet, in dem die Schiffsflotten gefertigt & beherbergt wurden, die Venedigs Stellung als Weltmacht am Meer begründeten. Die Waren, die diese Schiffe brachten, Lebensmittel, Gold und edle Stoffe, wurden im ökonomischen Zentrum der Stadt gehandelt, dem Rialto-Viertel, dass sich seitlich von der Mitte des Canal Grande befindet.
Heute nehmen wir Venedig als einen einzigen, kunstvoll geformten Steinklumpen wahr, doch vom Grunde aus ist es ein Konglomerat aus vielen kleinen Inseln, die eng beieinander liegen, durch Kanäle getrennt & mit unzähligen kleinen und größeren Brücken verbunden sind. Jede Insel hat mindestens einen Platz und eine Kirche, ausgenommen das Ghetto, das jüdische Viertel der Stadt - das zahlreichen anderen Außenseiter-Stadtteilen auf der Welt seinen Namen gab - hier findet man mehr Synagogen als Kirchen. Sie sind jedoch nicht so präsent wie die christlichen Gotteshäuser, sondern verstecken sich in den oberen Stockwerken der eng zusammenstehenden Häuser. Lange waren die venezianische Juden auf ein klar abgestecktes Terrain beschränkt & mussten so besonders eng & hoch bauen. Während die Gebäude Venedigs in der Regel 2-, höchstens 3-4-stöckig sind, haben die Häuser im Ghetto 7-8 Stockwerke, weil der Platz nach oben der einzig verfügbare war.
Wenig Raum-Probleme hingegen kannten die reichen Adelsfamilien der Stadt. Sie bauten sich großzügige Palazzi, in denen ein Saal & ein Garten Platz fanden, vornehmlich direkt am Canal Grande gelegen, der Hauptverkehrsader der Stadt, & damit die repräsentativste Adresse.
Der Wasserweg war lange Zeit der meistgenutzte Weg in Venedig, doch heute dominiert der Fußweg. Viele Kanäle wurden zugeschüttet, um neue Gehwege zu schaffen. So ist Venedig auch ein Labyrinth aus Gassen & Gässchen, die sich „fondamenta“ nennen, wenn sie an einem Kanal entlang laufen, oder „sotoportego“, wenn sie unter Gebäuden hindurch führen.
Die Entlastung der Wasserwege kommt der ganzen Stadt zugute, denn der Wellenwurf der Boote nagt langsam aber unaufhörlich an den alten Gemäuern. Deshalb dürfen die Wasser-Busse und -Taxis nur eine bestimmte Höchstgeschwindigkeit fahren - auch zur Freude der alteingewippten Gondeln, die lieber ruhiges als aufgewühltes Wasser mögen.
Doch auch das Motorboot hat seinen unnatürlichen Feind: das Kreuzfahrtschiff – dieses kommt aus der ganzen Welt & darf aus Richtung Lido bis nahe an den Markusplatz heranfahren. Dort liegt es dann & überragt fast die ganze Stadt, während die ausströmenden Massentouristen die engen Gassen verstopfen. Der Tourismus ist heute der größte Triumph Venedigs, doch er ist auch maßgeblich an dem voranschreitenden Verfall beteiligt. Sei es durch die Kreuzfahrtschiffe, oder durch Billigflieger, die noch anhaltender am Anstieg des Meeresspiegels mitarbeiten ...


2 Kommentare:

Hotel jesolo hat gesagt…

Venedig ist eine sehr gute Wahl. Dieser Ort atemberaubend! Vielen Dank für diesen Artikel.

Hotel Jesolo direkt am strand hat gesagt…

Eine der schillerndsten Orte der Welt. Jeder muss es mindestens einmal im Leben zu sehen!