Montag, 16. Juni 2008

Handout/Katharina Stockmann/Carpaccio

Vittore Carpaccio und sein Bilderzyklus in der Scuola San Giorgio degli Schiavoni

Die venezianischen Scuole
- Entstanden aus der Flagellantenbewegung des 13. Jh.
- Scuole Grandi (um 500 Mitglieder) und Scuole Piccole (50-70 Mitglieder)
- Verbindendes Interessengebiet: Handwerkszünfte, Religionsgemeinschaften, gemeinsame Herkunft usw.
- Aktivitäten: Karikative Aktivitäten, Mäzenatentum, Bau und Ausstattung des Gildehauses bzw. Altars
- Funktion in der Republik: Einbindung und Beteiligung der politisch rechtlosen Bürger, Soziale Absicherung

Scuola di San Giorgio degli Schiavoni
- Schiavoni=Slawen: Dalmatiner aus dem Süden Kroatiens (venezianisches Herrschaftsgebiet)
- 1451: Gründung der Bruderschaft und Bau der ersten Scuola (Schutzheilige Georg, Hieronymus und Triphonius)
- 1502: Erwerb einer Reliquie des hl. Georg, Auftrag an Carpaccio für Gemäldezyklus
- 1797: Sturz der Republik, Schließung aller Scuole durch Napoleon
- 1807: Wiederruf der Enteignung der Scuola di San Giorgio degli Schiavoni – die Scuola besteht bis heute

Vittore Carpaccio
- * um 1465, + 1526 in Venedig
- Wichtigste und beste Arbeiten: Gemäldezyklen für venezianische Scuole:
- 1490-1496: Leben der hl. Ursula in der Scuola der hl. Ursula (heute Accademia)
- 1502-1507: Gemäldezyklus für die Scuola di San Giorgio degli Schiavoni
- 1504-1511: Leben der Muttergottes für die albanische Scuola
- 1511-1520: Leben des hl. Stephan für die Scuola des hl. Stephan

Bilderzyklus in der Scuola di San Giorgio degli Schiavoni

Der hl. Georg bekämpft den Drachen
- hl. Georg: Christlicher Märtyrer, 3. Jh. n. Chr., Legende: Drachentöter
- Komposition: Diagonale von den Hinterfüßen des Drachen über die Lanze Georgs bis zur Prinzessin rechts oben
- Ornamentale Formen, dekorativer Wert der Linie und der Kontur, geometrische Grundformen
- Mögliche Deutung: Georg als Kreuzritter, Drache symbolisiert die Türken
- Verstreute Leichenteile: Memento Mori, Spuren eines Exzesses

Der Triumph des hl. Georg
- Georg bringt den besiegten Drachen in die Stadt und tötet ihn
- Orientalische Formen: Schauplatz der Legende in Selene, Libyen
- Venedig: Drehscheibe des Orienthandels
- Konstantinopelreisen Gentile Bellinis (1479) und evtl. Carpaccios selbst
Der hl. Georg tauft die Ungläubigen
- Statt die Prinzessin zu heiraten tauft Georg das Volk des Königreichs
- Erzählfreude Carpaccios: Schilderung von Details (Turban, Papagei, Windhund), auch mit symbolischer Bedeutung

Das Wunder des hl. Triphonius
- Märtyrer im 3. Jh. n. Chr., angeblich Gänsehirt
- Legende: Befreiung der Tochter des römischen Kaisers Jordan von einem Dämonen
- Triphonius als Kind, Dämon in Gestalt eines Basilisken
- Hintergrund: Venezianische Architektur

Das Gebet im Ölgarten/Die Berufung des hl. Matthäus
- Die beiden ersten Bilder des Zyklus (1502)

Der hl. Hieronymus führt den Löwen in das Kloster
- Hieronymus: * 347 in Stridon/Dalmatien, + 30.9.419 Bethlehem
- Dalmatischer Nationalheiliger, Kirchenvater, Übersetzung der Bibel ins Latein seiner Zeit (Vulgata)
- Legende: Ein Löwe kommt ins Kloster, um sich von Hieronymus einen Dorn aus der Pfote ziehen zu lassen und wird anschließend dessen treuer Gefährte und Attribut
- Kontrast zwischen den schrägen Linien der fliehenden Mönche und der senkrechten Gestalt des Hieronymus
- Farbe: Wiederholung des Blau-Weiß der Kutten im gesamten Bild
- Schauplatz: Kloster in Venedig (Hospiz bei San Giovanni del Tempio)
- Humor Carpaccios: Eher Situationskomik als Satire

Die Beerdigung des hl. Hieronymus
- Klage des Löwen im Hintergrund
- Komposition: Vertikalen und Horizontalen, „rhythmische“ Anordnung der Figuren
- Fehlende Tragik: Carpaccio als distanzierter Regisseur einer Theaterbühne, keine psychologische Wirkung

Die Vision des hl. Augustin
- Nicht Hieronymus sondern Augustin in der Studierstube: Bischofsmitra, Augustinerhabit
- Legende: Während Augustinus einen Brief an den hl. Hieronymus schreibt, erscheint dieser ihm in Lichtgestalt und verkündet seinen Tod
- Licht der Erscheinung fällt in den Raum, auffällig: dreieckige Schatten
- Licht und Fluchtlinien münden auf der schreibenden Hand Augustins
- Innenraum: Saal in einem venezianischen Palazzo des 15. Jh.
- Flämischer Einfluss: Versammlung von Bildern mit symbolischer Bedeutung im Innenraum: Musiknoten (Augustinus „De Musica“), Antike Skulpturen, Armillarsphäre, Altar mit zurückgezogenem Tuch (Auferstehung) etc.
- Mögliche Deutung: Augustinus im Licht der Vernunft, neue Bedeutung der Wissenschaften, humanistische Weltsicht

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