Montag, 16. Juni 2008

Handout/ Andrea Palladio/ Svenja Wolff

Andrea Palladio (1508-1580)
„Von all den Architekten, die vor unserer Zeit gelebt haben, ist Palladio wahrscheinlich der einflussreichste und bekannteste.“ - Howard Burns
Lebensdaten in Stichworten
●Geboren in Padua am 30. November 1508 als Andrea die Pietro della Gondola
●1521 Lehre als Steinmetz in Padua, Flucht und Übersiedelung nach Vicenca
●Seit 1524 Mitglied der Maurer- und Steinmetzzunft; Arbeit in der Werkstatt Pedemuro in Vicenca. Keine eigenständigen Arbeiten aus dieser Zeit bekannt.
●1534 Hochzeit mit Allegradonna, einer Zimmermannstochter; 5 Kinder
●Erster Mäzen Giangiorgio Trissino: Bringt ihm Architekturtheorie nahe; reist mit ihm nach Rom, gibt ihm den Namen Palladio
●1540 Palladio offiziell als Architekt bezeichnet. Es folgen viele Aufträge zunächst für den Bau von Profanbauten (Villen, Palazzos), sowie Brücken, öffentliche Gebäude und später Sakralbauten.
●ab 1550ern: enge Zusammenarbeit mit Daniele Barbaro
●1554 Veröffentlichung von Schriften über römische Architektur
●1570 erscheinen die Quattro Libri
●19. August 1580 Tod Palladios

Reisen: In seinem Bestreben, die bedeutendsten Bauwerke kennenzulernen, bereist Palladio viele Provinzen Italiens (Tivoli, Palestrina, Albano), Rom, Venedig, die Provence. Er vermisst, zeichnet und katalogisiert überall antike Bauten und ihre Überreste.

Einflüsse auf Palladio durch seine Zeitgenossen
Neben dem Studium der antiken Architektur wird Palladio ebenso stark von der zeitgenössischen Architektur geprägt: Sebastiano Serlio, Giulio Romano, Jacopo Sansovino, Alvise Cornaro, Donato Bramante, Michelangelo u. a.
Als (theoretische) Schlüsselwerke für den werdenden Architekten zählen vor allem das Vitruvs (1. Jh. v. Chr.) und Leon Battista Alberti (1404-1472)
Vitruvs „Zehn Bücher über Architektur“ ist die einzige überlieferte Schrift der Antike solcher Art. Er legt u. a. dar, dass die Tätigkeit des Architekten sich sowohl aus Handwerk als auch aus geistiger Arbeit zusammensetzt und sieht ihn somit als Künstler.
Alberti unternimmt mit seinem Buch „De re aedificatoria“ 1452 den Versuch, antikes Wissen um die Baukunst auf die Gegenwart zu übertragen. Er erfasste Wert und Wirkung der Architektur als Gehäuse, in dem sich soziales und religiöses Leben abspielten.

Palladios Mäzene
In der Renaissance fand das Mäzenatentum Eingang in die bürgerlichen Kreise. Durch die wirtschaftliche Entwicklung Italiens und den Handel seit Anfang des 15. Jh. entsteht eine wohlhabende Gesellschaft, die die Grundvoraussetzung für die Hinwendung zum Weltlichen und zur Wissenschaft der Renaissance bildet.
Architektur wird in dieser Zeit eng mit Machtansprüchen, Reichtum und Prestige verbunden und war ein Mittel, die Lebensweise und -qualität des öffentlichen und privaten Lebens zu formen.

Giangiorgio Trissino: Die Begegnung mit und Förderung durch den adeligen Dichter und Humanisten aus Vicenca war bedeutete die entscheidende Wende in Palladios beruflicher Entwicklung. Ohne Trissino hätte der damalige Handwerker niemals die kulturellen und intellektuellen Grundlagen erlangt, die Voraussetzung für sein Schaffen als Architekt waren. Durch Trissino lernte Palladio u.a. die antike und zeitgenössische römische Architektur kennen und die Schriften Vitruvs. Er spielte sicherlich auch eine entscheidende Rolle bei der Auftraggebung und Weiterempfehlung.

Daniele Barbaro: Der venezianische Patrizier arbeitet an einer neuen Übersetzung Vitruvs. Palladio illustriert und kommentiert die Übersetzung. Die enge Zusammenarbeit und das intensive Studium Vitruvs trägt zur Ausformung Palladios Architektursprache bei und gibt ihm Anregungen zu bestimmten Motiven (u.a. Tempelfront der Villen; zwei Stockwerke umfassende kolossale Säulenordnung)


Historischer Kontext
Die Renaissance

●1400-1600. Erstmals seit der Antike orientiert sich die Kunst am Naturvorbild (jedoch idealisiert). Formenwelt der Antike gilt hierbei als Vorbild
●das Streben, die diesseitige Realität zu erfassen
●“Die Entdeckung der Welt und des Menschen“: Von einem theozentrischen zu einem anthropozentrischem Weltbild. Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit.
●Beeinflussung durch naturwissenschaftliche Erkenntnisse und Entdeckungen
●Die Künstler versuchten, analog zur Wissenschaft, auch die Gesetze der Kunst zu erkennen und in Kunsttheorien zusammenzufassen
●Es wurde ein Monumentalstil geprägt, der auf antike Säulenordnungen zurückgriff und sie als Kolossalordnung über mehrere Geschosse ausbildete
●Nicht die Übernahme antikisierender Einzelformen, sondern die am Menschen orientierten Maßverhältnisse und Proportionen sind hier das Wesentliche

Der Veneto im 16. Jahrhundert
● 1509-1516 Krieg gegen die Liga von Cambrai. Festlandverluste Venedigs.
Seuchen, Hungersnöte. Wirtschaftliche Zerstörung des Veneto, Folgen bis in die 20er Jahre hinein spürbar. Zurückeroberungen Venedigs auf dem Festland.
●Folge: ab den 1530er Jahren starke Förderung des Aufbaus einer eigenen Landwirtschaft (Streben nach wirtschaftl. Unabhängigkeit). Bau vieler Wohnsitze der neuen Landbesitzer war vonnöten.

Palladios Werk

Die „Quattro Libri“ – die vier Bücher der Architektur (1570)
Diese Schriften machten Palladio schon zu Lebzeiten rasch über die Grenzen seines Landes hinaus bekannt. Sie waren die erste so umfangreiche theoretische Grundlage, durch die sich in den folgenden Jahrhunderten die „palladianische“ Bewegung in der ganzen Welt verbreitete.
Palladio legt in seinen vier Büchern Regeln für Ordnungen, Raummaße, Treppen und Detailentwürfe fest. Er orientiert sich stark an Vitruv; setzt seine eigenen Studien der antiken Baukunst (in Theorie und praktischer Ausführung) jedoch in Verbindung mit der gegenwärtigen Baupraxis und entwickelt schließlich eine Systematik von miteinander in Beziehung zu setzender Elemente, die in ihrer Komposition durchgehend bestimmten Proportionen und Ordnungen folgen.
Buch I: Abhandlung über Vorgehensweise, Materialien und einzelnen Elementen eines Gebäudes
Buch II und III: eine Art Retrospektive seiner eigenen entwürfe von Stadtpalästen, Villen, öffentlichen Gebäuden und Brücken
Buch IV: Beschreibung römischer Tempel, die er eingehend studiert hatte

Palladianische Merkmale im Baustil
Drei wesentliche Dinge, die beim Bau beachtet werden sollten: 1) der Nutzen oder die Annehmlichkeit, 2) die Dauerhaftigkeit und 3) die Schönheit

„Schönheit entspringt der schönen Form und der Entsprechung des Ganzen mit den Einzelteilen, wie der Entsprechung der Teile untereinander und dieser wieder zum Ganzen, so dass das Gebäude wie ein einheitlicher und vollkommener Körper erscheint. Entspricht doch ein Teil dem anderen und sind doch alle Teile unabdingbar notwendig, um das zu erreichen, was man gewollt hat.“ - Palladio
„Dem aufmerksamen Beobachter wird der Unterschied zwischen dem palladianischen Architektursystem, in dem Struktur und Ornament, Funktion und Aussehen engstens miteinander verbunden sind, und dem Wunsch eines Konditors klar, der seine Torte mit einem noch dickeren Zuckerguss verzieren möchte.“ - Howard Burns
Die Bedeutung und Wirkung Palladios
Was unterschied Palladio von seinen Zeitgenossen und was machte ihn über Jahrhunderte hinaus so bedeutsam? Palladio hatte sich ab den 1550ern ein einheitliches Repertoire an Typen, Räumen und Formen für die Ordnungen erarbeitet. Er entwickelte eine eigene Systematik - eine „Grammatik aus Formen und Proportionen und ein geregeltes Vokabular an Motiven“ - die auf dem Zusammenspiel von sorgfältig bestimmten Elementen fußte und sich in ihren Proportionen an der Natur und den Gegebenheiten der Materialien orientierte.
Sein Einfluss beruht nicht nur auf seiner rationalen Architektur und klaren Formensprache, sondern auch auf dem Wert seiner Schriften.

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