Freitag, 13. Juni 2008

Recherche/Jacob Burckhardt/Nora Neuhaus

Jacob Burckhardt – Kurzvorstellung
(25. Mai 1818 – 8. August 1897), Schweizer Historiker und Kunsthistoriker

Studium der Theologie, Geschichte und Philosophie und des neu entstandenen Fachs Kunstgeschichte in Berlin und Bonn, sein „Mentor“ war der Kunstwissenschaftler Franz Kugler.
Burckhardt ist v. a. als Kulturhistoriker berühmt, er war aber auch einer der ersten Kunsthistoriker. Burckhardt hatte 1855 den ersten Lehrstuhl für Kunstgeschichte in der Schweiz inne, er unterrichtete an der ETH Zürich und an der Universität Basel. Burckhardt schrieb und lehrte immer auch für eine allgemein gebildete interessierte Öffentlichkeit.
Seine Arbeiten spiegeln die intensive Erfahrung seiner eigenen Zeit, die vom Aufstieg der Industriellen Gesellschaft, von Sozialdemokratie und aggressivem Nationalismus geprägt war.
Ideengeschichte
Zu Beginn seiner Karriere war Burckhardt noch ein deutscher Nationalist und Mittelalter-Spezialist.
Burckhardt forschte allerdings nach den Charakteristika der Kunstepochen und der Frage, wie sich über besondere Stile und Formen Schlüsselinhalte der jeweiligen Kulturen ausdrücken, anstelle der allgemein üblichen Auffassung einer historischen Fortschrittsgeschichte der Kunst zu folgen.
Genuss als Erfahrung von Ordnung und Harmonie durch Kunst ist ein Zentralbegriff in Burckhardts Schriften. Durch diese Erfahrung vermittelten sich für ihn höchste humanistische Bildung und moralische Werte.
Burckhardt verfasste 1842 das erste kunsthistorische Werk -„Die Kunstwerke der Belgischen Städte“ und wendete sich von der romantischen Kunstauffassung ab, die die Griechische und die deutsche Kunst des Mittelalters zum klassischen Vorbild der perfekten Harmonie erklärten, und die Römische und Italienische Kunst für minderwertig oder zweitrangig ansahen.
Jacob Burckhardt trat für die einzigartige säkulare Weltauffassung der Renaissance ein, aus der er einen neuen Sinn für die konkrete Realität, ein neues individuelles künstlerisches Bewusstsein und eine progressive Autonomie der Kunst ableitete. Michelangelo war für Burckhardt der Prototyp des modernen Künstlers, aber auch Tintoretto, Correggio, und Rembrandt schrieb er das „Empörende“, eine besondere Energie zu, die selbst den Rahmen der Renaissance- Kunst sprengte. Die Künstler stellen nicht mehr subjektives Thema dar, sondern die Subjektivität des Künstlers selbst, die Probleme seiner Kunst werden zum Thema.
Burckhardt bewunderte auch seinen Zeitgenossen Arnold Böcklin und besonders Peter Paul Rubens für ihre Fähigkeit, ihre eigenen Dämonen ins Bild zu setzen.
1855 wurde „Der Cicerone – eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens“ veröffentlicht, der eine grundlegende Neubewertung und Rehabilitierung der Renaissance-Kunst auslöste.
Burckhardt zeigte die Entstehung der Italienischen Kunst aus der Tradition der Spätantike. Die „eigentliche Renaissance“ war für ihn das Produkt einer fruchtbaren Spannung zwischen neuen spontanen kreativen Energien und dem Erbe der klassischen Antike. 1500-1540 bezeichnete er als das „Goldene Zeitalter“ der Renaissance.
Burckhardt deutete den Begriff „klassisch“ nicht mehr als organischen, originalen Ausdruck eines Zeitgeistes sondern als kreative Nutzung von geborgten Formen. Das klassische Kunstwerk sah er als ein Produkt individueller Imagination, die nur von bestimmten kulturellen Traditionen reguliert wird. Die„ Geschichte der neueren Baukunst“
und eines seiner berühmtesten Bücher, „Die Kultur der Renaissance in Italien“entstehen.
Die Form ist nach Jacob Burckhardt der Ort der Bedeutung in der Kunst. Wenn man die Kunstgeschichte als selbstständige Disziplin gegenüber der Kulturgeschichte behandeln möchte, müsse man vom „Schönen“ selbst ausgehen und nicht von der Geschichte, sondern diese nur als Quelle nutzen.
Geschichte erkläre Kunst nicht, sondern sei als Politik genauso Teil der Kultur wie die Kunst.
Die Stilgeschichte soll den Ausdrucksformen des Schönen in der Kunst folgen.
Die Annäherung an ein Kunstwerk soll „nach Aufgaben“ geschehen. Außerdem bildete Burckhardt die Kategorien „Organischer Stil“ und „Räumlicher Stil“.
Burckhardt selbst folgte seinen beiden Interessen als Kunsthistoriker und als Kulturhistoriker getrennt.
Jacob Burckhardt bewirkte mit seiner Bewunderung für Energie und Erfindungsreichtum anstelle eines aus der Klassischen Kunst etablierten Gleichgewichts die Rehabilitation der späteren Stadien einer Kunstepoche, wie der Spätantike und des Barock.
In der Fragmentierung und dem Niedergang der Tradition in seiner Zeit sah er erweiterte Rezeptionsmöglichkeiten für die Kunststile und letzten Endes auch die Bedingung der Entstehung der Kunstgeschichte als Disziplin selbst.
Burckhardt war auch Zeichner und hinterließ Skizzenbücher, die als Dokumente der Betrachtungsweise eines reisenden Kunsthistorikers aufschlussreich sein können.

Bibliographie Schriften Jacob Burckhard:

- Die Kunstwerke der belgischen Städte, Düsseldorf,1842
- Die Zeit Konstantins des Großen, Basel, 1853
- Der Cicerone: Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens,Basel,1855
- Die Kultur der Renaissance in Italien, Basel, 1860
- Geschichte der neueren Baukunst, Stuttgart, 1867; als Geschichte der Renaissance in Italien, Stuttgart, 1878
- Erinnerungen an Rubens, Basel, 1898
- Griechische Kulturgeschichte, Berlin und Stuttgart, 1898 – 1902
- Weltgeschichtliche Betrachtungen, Berlin und Stuttgart, 1905
- E. Durr u. a., Hrsg.: Gesamtausgabe in 14 Bden, Stuttgart, Leipzig und Berlin, 1929-34
- M. Burckhardt, Hrsg.: , Briefe in10 Bden, Basel, 1949 – 86
- H. Ritter, Hrsg.: Die Kunst der Betrachtung: Aufsätze und Vorträge zur Bildenden Kunst, Köln, 1984
- Y. Boerlin – Brodbeck: Die Skizzenbücher Jacob Burckhardts, Basel 1994
- Basel, StA Basel Stadt, J. B. - Stiftung: Nachlass (u. a. 9 Skizzenbücher)


Quellen:
- Lionel Gossman: “Burckhardt, Jacob (Christoph)”, in: The Dictionary of Art (in thirty-four volumes), hrsg. von Jane Turner, New York: Macmillan [u.a.] 1996, Bd. 5, S.188 - 190
- “Burckhardt, Jacob Christoph”, in: Lexikon der Kunst: Architektur, bildende Kunst, angewandte Kunst, Industrieformgestaltung, Kunsttheorie, hrsg. von Harald Olbrich u. a., Leipzig: Seemann, 1987, Bd.1, S. 185

Literatur zu Venedig und Venezianischer Kunst in den Schriften Jacob Burckhardts

1. Jacob Burckhardt: Die Kultur der Renaissance in Italien, 2. Aufl., Basel: Benno Schwabe & Co Verlag, 1869
darin:
Erster Abschnitt: Der Staat als Kunstwerk, Die Republiken, Venedig im 15. Jahrhundert (Bd.1, S. 41 – 49)
>Text zu Venedig als Staat, Struktur, Eigenheiten, Geschichte; kulturhistorisch-erzählerisch geschrieben

2.Jacob Burckhardt: Der Cicerone: Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens, 1. Jacob Burckhardt: Die Kultur der Renaissance in Italien, 2. Aufl., Basel: Benno Schwabe & Co Verlag, 1869
darin :
zur Malerei:
-Malerei des 15. Jahrhunderts – Die neue Auffassung (S.174 – 178) >allgemein zur Malerei des 15. Jahrhunderts auch in Venedig
-Selbständige Venezianer in der Malerei des 15. Jhdts. (S. 198 – 205) > über die Künstlerfamilien Bellini, Vivarini, Giovanni Bellini, aber auch Carpaccio u. a.
-Malerei des 16. Jahrhunderts – Venedig(S. 312 – 337) > u.a. zu Giorgione, Lorenzo Lotto, Tizian, Tintoretto, Veronese, Dogenpalast

Keine Kommentare: