Montag, 5. Mai 2008

Venedig/Vorstellung/Janina Rohlik/ Venedig - Assoziationen

Venedig ist in meinem Kopf: laut, voll von Tauben und Menschen, die meisten davon Tourist_innen, schmutzig und dazwischen schillernd, behaftet mit allzu vielen Bildern, allzu vielen gemachten Vorstellungen. Von Romantik, von Geheimnisvollem; auch von Kunst…

Was verbirgt sich hinter diesen Gedankenbildern, was ist ihr Kern?
Sind die Tauben und Tourist_innen tatsächlich so zahlreich und warum?
Woher kommen diese vielen Vorstellungen, die Venedig-Bilder in meinem Kopf, im Kopf einer Person also, die noch nie in Italien, noch nie in Venedig war.
Ich muss an Brinkmanns „Rom, Blicke“ denken und daran, dass ich, als ich über Venedig nachdachte, ein paar Augenblicke fest davon überzeugt war, es handele sich um einen Text über Venedig.
Brinkmanns Rom verschwimmt mir mit einem imaginierten Venedig und ich frage mich, ob sich die beiden so berühmten italienischen Städte wohl gleichen, oder ob sich da ein bloßer Mechanismus von Vorurteils- und Klischee-Reproduktion in mir abspielt; italienische Städte eben.

Venedig scheint für mich noch dünn wie ein seidenes Tuch, das nicht viel hergibt für Vorstellungen, die etwas mehr Tiefgang besitzen als Bilder von Gondeln, buntbemalten Masken, mit Regenschirmen angeführten Tourist_innengruppen. Aber unter dieser dünnen Oberfläche verbergen sich weitere Schichten, die an der einen oder anderen Stelle auch schon durch die seidene Verkleidung schimmern mögen. Wenig, das von der Lebenswirklichkeit der Venezianer_innen in das Venedig der Tourist_innen vordringt. Etwas Schmutz vielleicht, ein paar bettelnde Kinder. (Ich denke an die „Zigeunerinnen“ und ihre kleinen Kinder vor der Alhambra in Granada in Spanien. Ein allgemeines Symbiose-Phänomen: Tourist_innen und Bettler_innen.)

Und was macht die Kunst in alledem?
In meiner Vorstellung ist der Kern Venedigs ein Raum, der kein allgemeiner Lebensraum für alle mehr ist, der zu teuer für eine durchschnittliche Stadtbewohnerin ist, zu überlaufen für einen, der einfach nur in Venedig leben möchte.
Und die Kunst, was spielt sie darin für eine Rolle?
Wo sie ist, wo sie zu einem Stück Geschichte erklärt wurde und wird, wo sie erkannt und anerkannt wird, da wird sie zur Marke touristischen Raumes, der nur Nischen-Platz für das andere Venedig lässt (die Symbiosen-Nische).
Aber ist das alle Kunst?
Wo verbirgt sich die Art von Kunst, die nicht verdrängt? Und wann verdrängt Kunst, wann öffnet sie Räume?

Was meine noch vagen Vorstellungen wohl am treffendsten zum Ausdruck bringt, ist ein Bild, das von Ambivalenzen geprägt ist:
Ein weiter Platz, ein prunkvolles berühmtes Gebäude, bestaunt von vielen Reisegruppen, die ihre Fotoapparate zücken, an Cafétischen sitzen und die Eis- und Pizzabestellungen hemmungslos auf deutsch oder englisch tätigen, während sie in ihren Reiseführern blättern, um herauszufinden, welche Sehenswürdigkeiten noch zu besichtigen sind vor dem Abendessen.
Dazwischen vielleicht ein paar bettelnde Kinder, Frauen oder auch Männer; diese aber nur sehr jung oder älter schon.
Auf dem Platz steht ein Geigenspieler und ein Rosenverkäufer zieht seine Runden. Und die Menschen in den Reisegruppen baden sich in dem wohligen Gefühl, keinen banalen Italien-Strandurlaub zu machen, sondern Kunst und Kultur „live zu erleben“. Denn damit warb ja das Reisebüro.

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